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Politik: Belgrader schämen sich für Srebrenica

Die Zeit des Leugnens scheint in Serbien-Montenegro vorbei zu sein. Zum ersten Mal sind Angehörige der Opfer des Massakers von Srebrenica nach Belgrad gereist.

Von Caroline Fetscher

Die Zeit des Leugnens scheint in Serbien-Montenegro vorbei zu sein. Zum ersten Mal sind Angehörige der Opfer des Massakers von Srebrenica nach Belgrad gereist. Die starken Sicherheitsvorkehrungen, mit Polizeipräsenz an jeder Straßenecke, zeigen, wie ungewöhnlich das ist. Am Samstag tagten im Belgrader Sava-Zentrum etwa vierhundert Aktivisten, Politiker, Mitarbeiter des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag und Angehörige der Opfer des Massakers. Das ist neu. „Eine vergleichbare Veranstaltung hat es hier noch nicht gegeben“, sagt Borka Pavicevic, Leiterin des demokratischen Belgrader „Zentrums für kulturelle Dekontamination“.

Frauen, die ihre Söhne, Ehemänner, Brüder, Väter, fast alle Männer ihrer Familie, beim Massaker in Srebrenica im Juli 1995 verloren, erhielten das Wort. Schockiert und beschämt hörte das Belgrader Publikum ihre Berichte. Seit 15 Jahren haben die meisten dieser Frauen Belgrad, die Hauptstadt der Täter, nicht betreten. „Sie in Serbien können uns am besten helfen“, sagte Kada Hotic, deren Mann und Sohn seit dem Massaker verschollen sind. „Sie kennen die Namen der Kriminellen. Solange die nicht bekannt sind, muss ich in jedem Serben einen potenziellen Täter sehen.“ Doch das, sagt Hotic, wolle sie nicht. Hiba Mehmedovic hat beim Massaker ihre Söhne verloren, beide damals Mitte zwanzig, und lebt heute allein. „Mein Haus ist leer“, sagt sie und kann nicht weitersprechen.

Während in Serbien-Montenegro die Gerüchte um eine mögliche, baldige Festnahme des seit neun Jahren vom Haager Tribunal gesuchten Generals der bosnischen Serben, Ratko Mladic, nicht verstummen, verändert sich Tag für Tag das politische Klima im Land. Rasim Ljajic, Beauftragter der serbischen Regierung für die Kooperation mit dem Den Haager Tribunal, sagte dem Tagesspiegel: „Ein Datum für die Festnahme Mladics kann ich schwer einschätzen. Aber die Gesellschaft ist heute sicherlich eher bereit dazu, diese Maßnahme mitzutragen, als noch im vorigen Jahr.“

Mitorganisiert von der Belgraderin Natasa Kandic, die vor kurzem jenes nun weltbekannte Video ans Licht brachte, das die Exekutionen junger Männer aus Srebrenica zeigte, wollte die Tagung den Teilnehmern das vollständige Video nicht vorenthalten. Bisher brachten Fernsehsender weltweit nur Ausschnitte. Kandic, Mitarbeiterin des Belgrader „Zentrums für Humanitäres Recht“, ließ das Video in voller Länge vorführen, das Angehörige der serbischen, paramilitärischen Einheit „Skorpione“ im Juli 1995 in Eigenregie drehten. Konfrontiert mit den Bildern verließen einige der bosnischen Zeuginnen den Saal. Sie betonten gleichwohl, es sei ihnen wichtig, dass dieses Beweisstück öffentlich wurde.

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