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Politik: Benzinproteste: Erste Raffinerie in Deutschland blockiert

Die Protestaktionen gegen die hohen Energiepreise haben am Donnerstag auch in Deutschland an Schärfe zugenommen. Erstmals versperrten Landwirte mit ihren Traktoren vorübergehend die Zufahrt einer Raffinierie in Lingen im Emsland.

Die Protestaktionen gegen die hohen Energiepreise haben am Donnerstag auch in Deutschland an Schärfe zugenommen. Erstmals versperrten Landwirte mit ihren Traktoren vorübergehend die Zufahrt einer Raffinierie in Lingen im Emsland. In Hannover und Magdeburg blockierten Landwirte, Lkw- und Taxifahrer die Innenstädte. Die CDU startete in Berlin ihre angekündigte Kampagne gegen die rot-grüne Ökosteuer, während die Bundesregierung das Festhalten an der Steuer bekräftigte. In Großbritannnien wurden die Blockaden teilweise aufgelöst.

Auch in Wilhelmshaven demonstrierten laut Polizei Bauern mit 100 Traktoren vor der Raffinerie. Mit mehr als 500 Lastwagen, Traktoren und Taxen blockierten Spediteure, Bauern und Taxifahrer stundenlang die Innenstadt von Hannover. In Magdeburg legten 400 Fahrzeuge den Verkehr lahm.

Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel berieten am Donnerstagabend über Maßnahmen, mit denen der hohe Ölpreis sozial abgefedert werden kann. Nach Angaben aus Koalitionskreisen werde zum Beispiel geprüft, wie etwa Heizkostenzuschüsse für Niedrigverdiener aufgestockt werden könnten. Einzelne Maßnahmen seien bei dem Treffen nicht beschlossen worden. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) sagte, es sei vorstellbar, Pendlern Vergünstigungen zu gewähren.

Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) verteidigte die Ökosteuer, schloss ein Überdenken der Steuer auf längere Frist aber nicht aus. "Zum richtigen Zeitpunkt" müsse etwa über die Ökosteuer auf Heizöl gesprochen werden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hatte vor wenigen Tagen einen ähnlichen Vorstoß gemacht. Heizöl war in der ersten Stufe der Ökosteuer zum 1. April 1999 um vier Pfennig je Liter teurer geworden. Weitere Erhöhungen im Rahmen der Ökosteuer sind nicht vorgesehen.

In Berlin verteilten CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz und CDU-Mitglieder Autoaufkleber gegen die Ökosteuer. "Wir werden dieser K.O.-Steuer einen Kick verpassen", erklärte Polenz zum Auftakt der Kampagne. Die Unionsfraktion will am Freitag einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, mit dem die nächsten Stufen der Ökosteuer ausgesetzt werden sollen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) warf der CDU vor, deren Kampagne sei "verlogen und verhetzend". SPD-Generalsekretär Franz Müntefering warb in einem Schreiben an die Landesverbände, Bezirke und Ortsvereine um Verständnis. Er verwies darauf, dass die Einnahmen über die Rentenbeiträge an Arbeitnehmer und Arbeitgeber weitergegeben werde. "Ohne Ökosteuer müssten die Beiträge wieder steigen, die Kosten würden dann eben nicht an der Tankstelle fällig, sondern auf dem Lohnstreifen."

Nach Berechnungen der WestLB kommen auf die Bundesbürger wegen gestiegener Energiepreise und des Höhenfluges des US-Dollars in diesem Jahr 22 Milliarden Mark Mehrkosten gegenüber 1999 zu. Werde auch noch die Ökosteuer eingerechnet, müssen die privaten Haushalte demnach für Energie in diesem Jahr etwa 27 Milliarden Mark mehr aufwenden. Je Einwohner entspreche dies zusätzlichen Kosten von 330 Mark.

In Großbritannien zogen zunächst die Streikposten vor der Shell-Raffinerie Stanlow im Nordwesten des Landes ab, obwohl die Regierung sich zu keinerlei Zugeständnissen bereit erklärte. Premierminister Tony blair hatte eine Senkung der Mineralölsteuer abgelehnt. Im Laufe des Tages räumten die Demonstranten weitere Raffinerien und Treibstoffdepots im ganzen Land. In Belgien sollten die Blockaden in der Nacht zu Freitag beendet werden, nachdem Fuhrunternehmer-Verbände den Regierungsvorschlägen zum Ausgleich der hohen Dieselpreise nach zähen Verhandlungen zugestimmt hatten.

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