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Die Führungsetage des BER: Geschäftsführer Hartmut Mehdorn (l.) und Technikchef Jörg Marks.

© Mike Wolff

BER-Chefs Mehdorn und Marks im Interview: "Seit wann haben Sie gewusst, dass da was schiefläuft?"

Immer neue Terminverschiebungen und Planungspannen beim Bau des Hauptstadtflughafens BER geben Berlin der Lächerlichkeit preis. Wie rauskommen aus der Misere? Ein Interview mit den Flughafenchefs Hartmut Mehdorn und Jörg Marks.

Herr Mehdorn, wie frustriert sind Sie eigentlich?
Mehdorn: Warum soll ich frustriert sein? Es gibt nur eine Frage, die ich öfter höre als: "Wann macht der Flughafen auf?", und das ist die Frage: "Warum tun Sie sich das an, wie frustriert sind Sie?" Die Frage, wann der Flughafen aufmacht, verstehe ich. Aber ich habe keinen Frust. Ich schlafe gut, ich bin fit, mir geht’s gut. Aber klar: Es ist nicht alles so gelaufen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Die Frage nach dem Frust resultiert aus der Tatsache, dass Sie bekanntermaßen ein Macher, ein Manager sind bei jedem Unternehmen, das Sie bislang geführt haben. Jetzt aber hat man das Gefühl, der Macher sei bei einem Unternehmen gelandet, wo die Grenzen dessen erreicht sind, was sich machen lässt.
Mehdorn: Ja, es gibt Grenzen. Die Flughafengesellschaft ist ein ganz anderes Unternehmen als alles, was ich bislang gemacht habe. Ich bin Mitte 2013 in ein Unternehmen gekommen, in dem es sichtbaren Stillstand gegeben hat. Auf der Baustelle war fast ein ganzes Jahr nicht gearbeitet worden. Normalerweise bekommt man in einem Unternehmen eine Einführung. Die Führungskräfte werden einem vorgestellt, die wesentlichen Abläufe und Prozesse. All das hat aber nicht stattgefunden. Ich kam hin, betrat ein frisch gewischtes, leeres Büro, in dem nicht ein Zettel lag. Dafür stand da eine nette junge Dame und sagte: "Ich bin Ihre Sekretärin, wenn Sie mich mögen ."

Ein toller Einstieg.
Mehdorn: Es war schon ein bisschen ernüchternd. Ich bin keiner, der Weltmeisterschaften in Schuldfragen veranstaltet. Könnte man alles machen, bringt aber nicht viel. Der Generalplaner, die Architekten, waren rausgeschmissen worden, die besten Leute hatten das Unternehmen verlassen, die Führung der Baustelle hatte mehrfach gewechselt. Da sind ein paar Sachen passiert, wo man als normaler Manager oder Ingenieur den Kopf schüttelt und sich sagt: Das hätte eigentlich nicht passieren dürfen … Und ich bleibe dabei: Die Fehler, die vorne gemacht werden bei solchen Großprojekten, die holen Sie hinten immer wieder ein.

Also nicht Frust, sondern Fassungslosigkeit?
Mehdorn: Wir haben einen Flughafen übernommen, der gleich mehrere verschobene Eröffnungstermine hinter sich hatte. Es gab kein Konzept, keine Idee, wie der Flughafen jemals ans Netz hätte gebracht werden können, keine Belegschaft, die das Thema mitgetragen hätte. Auf der Baustelle haben sich über 60 verschiedene Ingenieurbüros mehr oder weniger selbst gesteuert und kontrolliert. Die Bauherrenfähigkeit war der Flughafengesellschaft abhanden gekommen. Da war keiner, der gesagt hat: So machen wir es jetzt, und nicht anders. Stattdessen hat man sich in einer exzessiven Fehlersuche ergangen. Ich habe das von Anfang an gemerkt. Es gab einen misstrauischen Aufsichtsrat, der sich von der Vorgängergeneration der Geschäftsführung hintergangen fühlte. Das spüren wir heute noch, nach dem Motto: Wir sind einmal beschummelt worden, noch einmal erlauben wir das nicht. Daran hat sich in den letzten anderthalb Jahren auch nicht so furchtbar viel geändert.

Und was haben Sie getan?
Mehdorn: Viel. Wir haben das Unternehmen in den zurückliegenden eineinhalb Jahren vollkommen neu aufgestellt, das Unternehmen verjüngt, Know-how aufgebaut, die Führung geordnet, über 400 Leute eingestellt. Für Medien ist es einfach, immer zu schreien: Chaos, Chaos, Chaos … Das kann man pflegen, die Berliner sind da besonders stark drin. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Wir sind ein kleines Unternehmen mit rund 1700 Mitarbeitern. Davon sind nur 100 mit der Baustelle befasst.

Was haben die anderen gemacht?
Mehdorn: Die betreiben unser Kerngeschäft, den Flugbetrieb in Tegel und Schönefeld. In unserem Kerngeschäft sind wir einer der erfolgreichsten Flughafenbetreiber Deutschlands, mit ständig steigenden Fluggastzahlen. Unser Kerngeschäft machen wir perfekt. Ich habe nie einen Hehl draus gemacht, dass diese Flughafengesellschaft zwar einen Flughafen betreiben kann, aber als ich kam, keinen bauen konnte.

Also, was ist alles passiert?
Mehdorn: Wir haben die Baustelle technisch im Griff. Die zentralen Probleme sind gelöst. 39 von 40 Gebäuden sind baulich fertig und gehen nach und nach in Betrieb. Wir konzentrieren uns jetzt voll auf das Terminal. Auch da wissen wir, was zu tun ist. Der Eröffnungstermin steht und fällt mit dem Brandschutz. Und dafür haben wir die entscheidenden Planungen in Auftrag gegeben. Ein herber Rückschlag, die Entlassung von Herrn Großmann (der wegen Korruption entbundene Vorgänger von Jörg Marks), hat sich im Nachhinein als Glücksfall herausgestellt. Ohne den Großmann-Fall wäre ich nie auf die Idee gekommen, Herrn Marks davon zu überzeugen, dass wir ihn dringend als technischen Leiter brauchen. Jetzt haben wir einen, der die Baustelle kennt und der Technik kann. Der brauchte keine hundert Tage, der konnte gleich starten.

Herr Marks, Sie verantworteten bei Siemens seit 2008 den Siemens-Auftrag für die Gebäudeautomation. Seit wann haben Sie denn gewusst, gemerkt, dass da in Berlin-Schönefeld was schiefläuft?
Marks: Ab Anfang 2005 war ich bei Siemens Leiter der Region Ost für die Gebäudetechnik. Den Auftrag für die Gebäudeautomation erhielten wir Mitte 2009. Ende 2011 gab es eine Riesendiskussion, dass die Steuerungen der Entrauchungsanlagen erheblich erweitert werden sollen. Es gab dann einen Nachtrag zum ursprünglichen Auftrag. So etwas ist nicht ungewöhnlich, aber wenn das Volumen des Nachtrags dem des Hauptauftrags nahekommt, wird man aufmerksam und fragt sich im Management: Was ist da eigentlich passiert? Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema genauer.

Was war denn passiert?
Marks: Bei der Zahl der Entrauchungsklappen, die Siemens ansteuern musste, gab es eine geradezu explosionsartige Erhöhung, zirka um den Faktor zehn. Da war augenscheinlich etwas vergessen worden.

Aber nicht von Siemens vergessen?
Marks: Nein. Aber die Folge der Änderung war, dass man die Steuerung des Systems in einer Weise verändern musste, die in der Gebäudetechnik sonst nicht üblich ist.

Aber Entrauchungsklappen vermehren sich doch nicht von selber. Wer hat das angeordnet?
Marks: Das kam durch den Bauherren. Siemens verantwortete zu diesem Zeitpunkt einen Teil der Steuerung. Die eigentlichen Entrauchungsanlagen, also Kanäle, Entrauchungsklappen und dergleichen, gehörten nicht zum Leistungsumfang von Siemens. Aber wenn sich diese Hardware so dramatisch ändert und die Zahl der Klappen um den Faktor zehn erhöht, hat das natürlich erhebliche Konsequenzen für Verkabelung, Steuerungsschränke und die Software, mit der diese Klappen angesteuert werden sollen.

Mehdorn: Herr Marks macht da einen wichtigen Punkt, um zu verstehen, was da passiert ist. Siemens war "nur" für die Steuerung zuständig. Normalerweise gibt es bei einem Projekt dieser Größenordnung einen Generalunternehmer. So war es auch hier geplant. Doch so hat man es nicht umgesetzt. Man hat gesagt, okay, dann bauen wir das eben in sieben größeren Losen. Aus den sieben Losen wurden am Ende über 50 Teillose. Das können Sie machen, wenn Sie einen guten Bauherrn haben, der die alle perfekt koordinieren kann. Die FBB war aber nie dieser perfekte Bauherr.

Warum hat man denn so viele Lose gemacht?
Mehdorn: Schwer zu beantworten, aber der Verdacht kommt eben auf, dass die Losgröße auch etwas mit der klein- und mittelständischen Wirtschaftsstruktur in Berlin-Brandenburg zu tun hat. Wenn Sie wollen, dass die lokale Industrie möglichst viele Aufträge gewinnt, dann zerhacken Sie den Auftrag in viele kleine Schnipsel, damit die kleinen Firmen in der Region das auch bewältigen können.

Marks: Wenn man so viel umplant, wie es hier geschehen ist, dann ist die kleinteilige Vergabe natürlich ein Graus.

Mehdorn: Das kann man alles machen, wenn man ein striktes Baumanagement hat und die Baufolge beachtet. Aber dann war 2010 auch noch der wichtigste Planer pleitegegangen. Und dann wurde einfach gebaut nach dem Motto "Wir machen fertig."

"Ich bin Ingenieur. Wir gehen nach Fakten"

Wir wollen ja auch nach vorne schauen, wie man aus der Situation herauskommt. Herr Marks, als Sie kamen, haben Sie eine Bestandsaufnahme gemacht – und eigentlich das beschrieben, was Herr Mehdorn eingangs als „Chaos, Chaos, Chaos“ benannt hat: Keiner hat miteinander gesprochen, keiner hat koordiniert, alles zu langsam, zu unverbindlich, zu kompliziert, es gibt keine gemeinsame Begehung. Ist das denn jetzt geregelt? Konnten Sie das regeln? Oder ist es immer noch ein Zustand?
Marks: Ich denke schon, dass wir das regeln konnten. Wir haben sogenannte Flächenteams aufgestellt und die Organisation gestrafft. Wir haben damit die ganze Baustelle wieder zurückgeführt auf die Vorgaben der Landesbauordnung Brandenburg. Für jedes Baufeld gibt es einen Verantwortlichen. Die Herausforderung ist, dass es aufgrund der Vorgeschichte nicht für jeden Raum eine übersichtliche und einheitliche Planungsgrundlage gibt.

Es gibt verschiedene Planungen, die eine für Entrauchung, die andere für Elektrik, und so weiter, weil ja die Aufträge auch an mehrere Firmen vergeben worden waren. Die Pleite der IGK/IGR (der innerhalb der früheren Generalplaner-Arge pgbbi zuständige Planer für die Haustechnik) 2010 hatte dazu geführt, dass sich jeder Planungsverantwortliche nur noch um sein eigenes Gewerk gekümmert hat. Es gab also keine echte übergreifende Gebäudetechnikplanung und in der Folge auch keine koordinierte Ausführung.

Unsere Arbeit sieht so aus: Welcher Raum ist richtig gebaut, welcher Raum ist in Teilbereichen richtig, und wo gibt es eine richtige Planung? Es gibt rund 800 Architektenpläne, das ist gar nicht mal so viel. Darauf gibt es jedoch schon rund 8000 Ausführungspläne und darauf aufbauend rund 50 000 Werk- und Montagepläne mit mehr als zwei Millionen Einzeldokumenten. Wenn dieses System aber inkonsistent ist, kann man sich ausrechnen, wie sich die Fehler potenzieren …

Gibt es aus heutiger Sicht einen Zeitpunkt, an dem eine Entkernung besser gewesen wäre, als Klein- Klein weiterzumachen?
Marks: Einfach alles rauszureißen wäre falsch gewesen. Bei der Kabeltrassensanierung haben wir in Teilbereichen 50 Prozent der Kabel erneuern müssen. Mit Stand Oktober haben wir bereits rund 1400 Kilometer Kabel neu gezogen. 2200 Kilometer liegen noch vor uns.

Von wie viel tausend Kilometer insgesamt?
Marks: Das sind noch etliche tausend mehr.

Sie beide reagieren bei dem Thema Entkernung sehr empfindlich ...
Mehdorn: Ich reagiere nicht empfindlich. Ich stelle nur fest, dass einige Leute über etwas reden, von dem sie nichts verstehen, aber Schlagzeilen damit machen wollen. Wenn eine Entkernung nötig gewesen wäre, hätten wir es gemacht. Aber das war nie eine Option. Es war klar, dass viele Kabel raus mussten, weil die Kabelkanäle wegen der andauernden Umplanungen und Erweiterungen falsch oder überbelegt waren. Aber dies Schritt für Schritt zu tun, ist richtig. Es ist schneller und günstiger, als alles neu zu machen.

Haben Sie selbst schon mal Zweifel gehabt?
Mehdorn: Nein. Ich bin Ingenieur. Wir gehen nach Fakten.

Eröffnung 2018? Abwarten

Unsere Leser sagen uns immer wieder, das geht da alles so langsam. Sie selbst haben einmal gesagt, Ende 2014 wird das Terminal baulich fertig sein. Jetzt hören wir, dass noch 2000 Kilometer Kabel ausgetauscht werden müssen.
Mehdorn: Sie haben nicht richtig zugehört. Der erste Terminalteil, das Pier Nord, ist fertig. Die Fertigstellung des zweiten Gebäudeteils, des Pier Süd, folgt 2015. Aber das Pier Süd ist nicht entscheidend, sondern das Hauptterminal, und da sind wir dran.

Marks: Viele der Themen, die wir abarbeiten müssen, hängen eben leider auch damit zusammen, dass der Planer mehrfach gewechselt hat. Da war keine Kontinuität mehr, und das betrifft nicht nur die Entrauchung.

Hat da eigentlich jemand versucht, die welt-genialste Entlüftungsanlage überhaupt zu bauen oder die Gesetze der Physik auszuhebeln?
Marks: Ja, beides.

Mehdorn: Ja, ein Unikat. So was hat noch keiner auf der Welt gebaut.

Jetzt sollen bis Mai 2015 die Pläne für den Umbau der Entrauchungsanlage vorliegen. Ist denn da eine Eröffnung vor 2018 überhaupt noch zu schaffen?
Mehdorn: Warten Sie’s ab. Wir beraten die Frage in der nächsten Woche in unseren Gremien. Die Abnahme und Prüfung des Ganzen kann zwischen fünf und fünfzehn Monaten dauern.

Von was hängt das ab? Von der Kleinkariertheit der Prüfungsinstanzen?
Mehdorn: Das würde ich nicht sagen. Es hängt erstens davon ab, dass wir gute Arbeit abliefern. Und zweitens davon, dass es einen gemeinsamen Geist und Willen gibt, das Ding nun auch endlich fertigzustellen. Wir alleine werden das nicht schaffen. Es sind auch jede Menge Behörden am Abnahme- und Inbetriebnahmeprozess beteiligt.

Zweifeln Sie am gemeinsamen Willen?
Mehdorn: Er ist noch nicht sehr ausgeprägt.

Eine Behörde handelt ja nicht von sich aus verschleppend. Eine Behörde verschleppt, wenn sie das Gefühl hat, dass die übergeordnete politische oder Exekutivinstanz auch gerne verschleppen würde.
Marks: Ich würde den Fokus gerne verändern. Sie haben richtig gesagt, dass eine Behörde prüft. Eine Behörde braucht zum Prüfen saubere Unterlagen. Wenn wir die Unterlagen zum Umbau der Entrauchungsanlage bis Mai einreichen müssen, müssen die Unterlagen schlüssig und in sich konsistent sein. In der Vergangenheit war das, warum auch immer, nicht so. Unsere Herausforderung besteht darin, für die rund 4500 Räume, die wir im BER haben, eine in sich schlüssige Planung vorzulegen. Es wird die am besten dokumentierte Baustelle der Welt werden.

Von wem erwarten Sie mehr Kooperation?
Mehdorn: Es geht um die integrierte Zusammenarbeit aller. Keiner auf Behördenseite hat jemals einen internationalen Airport zugelassen. Das ist für alle das erste Mal. Das werden wir nicht lösen, wenn der eine sagt: Ich habe alles richtig gemacht. Es hilft nur etwas, wenn sich die Beteiligten bei den Händen fassen und gemeinsam sagen: Wir ziehen das jetzt durch.

Klappte das in Frankfurt oder München besser?
Mehdorn: Ja, wenn ich mit den Leuten spreche, habe ich den Eindruck.

Warum?
Mehdorn: Frankfurt hat Hessen, München hat Bayern. Wir haben drei Gesellschafter.

Aber die Behörde, mit der Sie kooperieren müssen, ist weder vom Land Berlin noch vom Bund abhängig, sondern nur vom Land Brandenburg. Haben Sie das Gefühl, dass das Land Brandenburg nicht so recht mitzieht?
Mehdorn: Jetzt sind Sie schon wieder bei Schuldfragen. Das ist nicht mein Thema. Ich plädiere dafür, dass die Beteiligten stärker zusammenrücken. Wir brauchen den gemeinsamen Geist, den Flughafen jetzt so zügig wie möglich ans Netz zu bringen.

Was muss passieren?
Marks: Wir müssen beweisen, dass wir verlässlich sind. Wenn wir den Planungsnachtrag transparent und pünktlich einreichen, werden wir auch wieder Vertrauen bei den Behörden und den anderen Projektbeteiligten gewinnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dann die Stimmung auch wieder ins Positive kippen wird.

Mehdorn: Ja, denn es gibt einen Punkt, den wir sehr positiv bewerten und auf den wir auch setzen. Brandenburg hat jetzt wieder ein klassisches Infrastrukturministerium. Die neue Infrastrukturministerin, Kathrin Schneider, ist die Chefin aller Behörden, die für den Flughafen eine Rolle spielen. Das macht uns Hoffnung.

Dieser Flughafen hat seine Jungfräulichkeit verloren

Sie wollen das Vertrauen in das Management stärken durch Ihre Arbeit. Querschüsse wie die des Finanzsenators aus Berlin, der Zahlungen hinauszögert, bis die Zinslast immer teurer wird, ist das Ausdruck eines Misstrauens oder steckt da etwas anderes dahinter?
Mehdorn: Meines Erachtens ist das unnötig. Da geht es um eine Kredittranche von 1,2 Milliarden Euro. Brandenburg hat geprüft und gezahlt. Der Bund hat geprüft und gezahlt. Ich gehe davon aus, dass auch Berlin zahlen wird in diesen Tagen. Es sind eben drei Gesellschafter. Alle sagen, wir wollen zusammenarbeiten, aber dann kommen doch immer wieder kleine Stöckchen in die Speichen.

Was erwarten Sie denn vom Aufsichtsrat, der am kommenden Freitag zusammentritt und sich jetzt neu konstituiert?
Mehdorn: Die Gesellschafter machen die Neubesetzung des Gremiums, die durch den Wowereit-Abgang nötig wird, unter sich aus und nicht mit uns. Das ist auch richtig so. Sie denken darüber nach, den Aufsichtsrat durch die Entsendung von Experten zu stärken und mehr privatwirtschaftliches Know-how in das Gremium einzubringen.

Das wäre Ihnen recht, nehmen wir an.
Mehdorn: Ja, sicher. Das begrüßen wir ausdrücklich. Wenn Sie sich andere Aufsichtsräte anschauen, etwa bei der Bahn oder bei Lufthansa, da sehen Sie Industrielle neben Politikern. Das kann eine gute Mischung sein, auch für hier.

Würden Sie sich weniger Einmischung ins operative Geschäft wünschen?
Mehdorn: Normalerweise gibt es da klare Grenzen. Ein Aufsichtsrat muss Vertrauen in seine Geschäftsführung haben. Ich sage das immer wieder, auch unserem Aufsichtsrat. Entweder er traut seiner Geschäftsleitung oder er sucht sich eine neue, tauscht sie aus. Dazwischen gibt es nichts. Wir sind uns einig: Vertrauen muss man sich verdienen, das kriegt man nicht verliehen. Daran arbeiten wir. Doch das geht angesichts der Vorgeschichte nicht von null auf hundert. Wir hoffen, dass der Aufsichtsrat nach und nach merkt, uns kann man vertrauen, wir machen einen guten Job. Das heißt nicht, dass wir nicht auch Fehler machen.

Was die Aufsichtsräte sicher von Ihnen hören wollen, auch am 12. Dezember, sind Termine. Die werden fragen: Herr Mehdorn, Herr Marks, wann eröffnet der BER?
Mehdorn: Ja, und es bleibt dabei: Wir werden nur einen Termin nennen, von dem wir auch überzeugt sind. Da wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht alle Unwägbarkeiten aus dem Weg geräumt haben, wird es auf ein Terminband hinauslaufen, das wir im Aufsichtsrat diskutieren werden.

In der Vergangenheit gab es ja auch politisch motivierte Termine. Verspüren Sie Druck aus der Politik?
Mehdorn: Nein, verspüre ich nicht. Das hätte aber auch keinen Zweck. Ich habe eher die Sorge, dass es Ängstlichkeiten gibt – so nach der Devise „bloß nicht noch einmal eine Verschiebung“. Da fehlt mir wieder der gemeinsame Geist und das gemeinsame Ziel. Man muss sich schon trauen. Ohne Termin werden wir keine Flughafeneröffnung hinkriegen, denn sonst schaffen wir nicht den Anreiz und klaren Rahmen für Bau, Planung und behördliche Abnahmen.

Aber es ist schon noch Ihr Ziel, das Band bei der Eröffnung selber durchzuschneiden?
Mehdorn: Ich glaube nicht, dass da jemals ein Band durchgeschnitten wird. Dieser Flughafen hat seine Jungfräulichkeit verloren. Es gibt da keine Party und keine Raketen. Nicht mit mir. Wir werden eine Abschiedsparty in Tegel machen. Da müssen die "Toten Hosen" rumtoben …

Wie lange macht denn Tegel noch?
Mehdorn: Tegel macht mir keine Sorgen. Alle lieben Tegel, jeder kennt Tegel, Tegel ist genial. Aber natürlich kümmern wir uns um den Airport. Gerade arbeiten wir wieder an einem Verbesserungsprogramm. So eins hatten wir 2013 schon einmal.

Muss beim Lärmschutz in Tegel noch etwas passieren?
Mehdorn: Das kommt darauf an, wann wir umziehen.

Es ist strittig, ob das 2017 oder 2019 kritisch wird.
Mehdorn: 2019.

Kommen Sie mit den 1,1 Milliarden für den Fertigbau von BER aus?
Mehdorn: Ja. Aber wir werden diesen Flughafen schon bald erweitern müssen, und die Kosten sind in den 1,1 Milliarden nicht drin.

Würde ein Gesetz gegen eine dritte Startbahn, wie es in Brandenburg diskutiert wird, etwas für Ihre Planung bedeuten oder sagen Sie, ein Gesetz kann man auch wieder ändern?
Mehdorn: Ach, das ist nicht unser Thema. Klar ist: Berlin wächst. Wir glauben, dass wir bis 2035 locker in die Dimension 45 Millionen Passagiere kommen.

Dann kann man ja jetzt schon das neue Terminal planen …
Mehdorn: Tun wir ja. Wir arbeiten an einem Generalbebauungsplan, wie unser Flughafen im Jahr 2040 aussieht.

Die Standorte der beiden Satelliten sind ja jetzt schon auf Karten eingezeichnet. Und der Umzug von Tegel? In einer Nacht?
Mehdorn: Einen Umzug in einer Nacht, wie er 2012 mal angedacht war, wird es nicht geben. Wir halten das für viel zu risikoreich. Wir machen das schrittweise. Wie genau, werden wir mit unseren Airline-Kunden noch abstimmen.

Das Gespräch führten Gerd Appenzeller, Klaus Kurpjuweit, Lorenz Maroldt und Thorsten Metzner.

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