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Minister Daniel Bahr möchte den Einfluss der Industrievertreter eindämmen.

© dpa

Beraten und verkauft: Gesundheitsminister Bahr will keine Lobbyisten Expertenkommissionen

Der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr macht sich mit seinem Beschluss, Industrievertreter künftig aus den Expertenkommissionen auszuschließen, unbeliebt.

Mit seinen Verfügungen zu Zwangsrabatten und Preisstopp für Medikamente hat sich schon Vorgänger Philipp Rösler den Zorn der Pharmalobby zugezogen. Vom Image her ist das dem FDP-Politiker nicht schlecht bekommen – schließlich hatte man von der wirtschaftsfreundlichen Partei anderes erwartet. Nun scheint Gesundheitsminister Daniel Bahr noch eins drauflegen zu wollen. Künftig sollen in den Expertenkommissionen des Hauses zum Thema Arzneimittelrecht keine Industrievertreter mehr sitzen. Dies empfiehlt ein im Ministerium erstelltes „Informationspapier“.

„Die Mitglieder dieser Gremien sollen allein der medizinischen oder der pharmazeutischen Wissenschaft angehören“, heißt es in der siebenseitigen Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt. Dies sei „im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen von Zulassungen, der Verschreibungs- und Apothekenpflicht sowie des Arzneibuchs (...) erforderlich“. Die Interessen der Industrie könnten „ausreichend“ durch das vorgesehene Anhörungsverfahren geltend gemacht werden.

Die Branchenverbände – seit mehr als 30 Jahren in den fünf Beratungsgremien des Ministeriums vertreten – reagierten verärgert. „Hier soll eine über drei Jahrzehnte gut funktionierende Kooperation einfach aufgekündigt werden“, echauffierte sich der wissenschaftliche Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH), Elmar Kroth, im „Handelsblatt“. Und die Kommunikationschefin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VfA), Susan Knoll, nannte die Pläne „unverständlich“. In den Gremien seien „Erfahrungen aus der Praxis ebenso wichtig wie die Expertise der Wissenschaft“, sagte sie dem Tagesspiegel. Denn es gehe „nicht um Partikularinteressen, sondern darum, das Beste für die Patienten zu erreichen“.

Tatsächlich sieht der Vorstoß ein wenig nach publikumswirksamem Getöse aus, mit dem sich das Ringen um Unabhängigkeit demonstrieren lässt. Zwar beraten die Verbandsmenschen den Minister in so wichtigen Fragen wie derjenigen, ob Medikamente für besondere Therapien zugelassen werden oder ob Arznei nur auf Rezept zu haben ist. Allerdings sind die Pharmalobbyisten in diesen Runden klar in der Minderheit. Im Beratungsausschuss für Verschreibungspflicht etwa stellen sie derzeit nur zwei von 15 Mitgliedern.

Es handle sich um „reine Quatschgremien ohne großen Einfluss“, sagt ein ehemals einflussreicher Ministeriumsmitarbeiter. Und die letzte Entscheidung hat sowieso der Minister oder das Bundesinstitut für Arzneimittel. Zudem verringert die Entfernung von Lobbyisten aus den Fachgremien nicht unbedingt deren Einfluss. Entscheidender ist oft ihr Kontakt zu den Experten der Regierungsfraktionen. So fanden sich in deren Änderungsanträgen zum Arzneimittelsparpaket im Jahr 2010 Formulierungen, die fast wortgleich mit Forderungen der Lobbyisten übereinstimmten. Die drängten darauf, die geplanten Zumutungen wieder abzuschwächen. Und daraus wurde dann Gesetz.

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