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Not in Griechenland. Rollstuhlfahrer demonstrieren in Athen gegen weitere soziale Einschnitte.

© AFP

Beratungen im EU-Parlament: Mehr Geld für den Süden

Das EU-Parlament diskutiert über neue Hilfszahlungen in der Euro-Zone. Ein Euro-Zonen-Haushalt soll gegen Konjunktureinbrüche in einzelnen Mitgliedstaaten helfen.

Das Brexit-Votum der Briten im Juni war gerade einen Tag alt, als Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault eine programmatische Antwort auf das Referendum lieferten. In einem gemeinsamen Papier legten die beiden Chefdiplomaten Ideen für eine Weiterentwicklung der EU ohne die Briten vor. Unter anderem wurde in dem Dokument angeregt, dass die 19 Staaten der Euro-Zone künftig ein eigenes Budget bekommen sollen, um Konjunktureinbrüche in einzelnen Mitgliedstaaten abzufangen. Bei dem Vorschlag handelt es sich keineswegs um ein europäisches Wolkenkuckucksheim – wie sich jetzt im Europaparlament zeigt.

Das neue Instrument soll den Rettungsschirm ESM ergänzen

Für Steinmeier und Ayrault war es allerdings noch vergleichsweise einfach, sich auf eine gemeinsame Position zum Euro-Zonen-Budget zu einigen. Beide Politiker kommen aus der Parteienfamilie von Europas Sozialdemokraten, und dort stehen mögliche Ausgleichszahlungen zwischen wirtschaftsstarken Mitgliedstaaten wie Deutschland und dem krisengeschüttelten Süden der Euro-Zone hoch im Kurs. Das Euro-Zonen-Budget, so die Überlegung, soll den europäischen Rettungsschirm ESM ergänzen, aus dem das laufende Hilfsprogramm für Hellas finanziert wird. Die Konservativen sind hingegen von der Idee einer sogenannten Fiskalkapazität, wie der Euro-Zonen-Etat gelegentlich von den Fachleuten auch bezeichnet wird, weniger begeistert.

Sozialistin Berès: Es reicht nicht, die Währungsunion permanent zu kritisieren

Wie tief die politischen Gräben zwischen Sozialdemokraten und Konservativen in der Frage sind, zeigt sich derzeit bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments. Dort liegt ein Entwurf für einen Fahrplan zur Vertiefung der Währungsunion aus der Feder der französischen Sozialistin Pervenche Berès auf dem Tisch, in dem das Euro-Zonen-Budget als ein „entscheidendes Element“ bei der Weiterentwicklung der Währungsunion bezeichnet wird. „Man kann nicht ständig kritisieren, dass die Währungsunion nicht funktioniert, und gleichzeitig nichts dagegen unternehmen“, argumentiert Berès.

Konservative gegen Einführung einer EU-Arbeitslosenversicherung

Der konservative rumänische EVP-Abgeordnete Siegfried Muresan, der im Währungsausschuss zu den Gegenspielern von Berès gehört, will hingegen vermeiden, dass mit dem umstrittenen Fahrplan der Französin gewissermaßen das Feld für die Einführung einer europaweiten Arbeitslosenversicherung bereitet wird. „Um eine europäische Arbeitslosenversicherung realpolitisch wirksam zu machen“, so Muresan, „müsste vorher eine EU-weite Harmonisierung der Sozialversicherungs- und Rentensysteme durchgeführt werden“ – was schlicht ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Abstimmung im EU-Parlament im Februar geplant

Trotz der Differenzen geht man im Europaparlament davon aus, dass es bis zur im Februar geplanten Abstimmung über den Fahrplan zur Einführung der Fiskalkapazität noch einen Kompromiss zwischen den Fraktionen gibt. Wenn im Januar erst einmal ein Nachfolger für Parlamentschef Martin Schulz (SPD) gewählt sei, „dann wird auch mehr Ruhe einkehren“, zeigt sich der CDU-Mann Reimer Böge überzeugt. Böge ist als Berichterstatter im Haushaltsausschuss für das Dossier zuständig. Er hat auch schon eine Vorstellung, wie viel die Mitgliedstaaten der Euro-Zone in das neue Budget einzahlen sollen – nämlich weniger als ein Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung. Und noch ein Punkt liegt ihm am Herzen: Konjunkturschwache Staaten, die Geld aus der Fiskalkapazität erhalten, sollen die Mittel nach einem Zeitraum von etwa sieben Jahren wieder zurückzahlen.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 13. Dezember 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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