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Berechnung: Hartz-IV-Regelsätze unter der Lupe

Bis Ende des Jahres muss die Bundesregierung die Hartz-IV-Regelsätze neu berechnen. Hoffnungen auf höhere Bezüge sind noch reine Spekulation, sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Wohin die Reise bei den Hartz-IV-Regelsätzen geht, sagt ein Sprecher von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), sei völlig offen. Sowohl bei den Leistungen für die 1,8 Millionen Kinder, die auf die Grundsicherung angewiesen sind, als auch bei den fünf Millionen Erwachsenen. Klar sei nur, dass die Regelsätze sich nach dem Bedarf richten sollten: „Das Existenzminimum muss gedeckt sein“, sagte der Sprecher.

Bis Ende des Jahres muss die Bundesregierung die Hartz-IV-Regelsätze neu berechnen. Das hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil im Februar verlangt. Die Karlsruher Richter monierten damals, die Berechnung sei nicht transparent und sachgerecht genug. Seitdem ist umstritten, ob und in welchem Umfang die Regelsätze steigen müssen. Die für die Berechnung erforderlichen Daten lägen „noch nicht in Gänze“ vor, sagte der Ministeriumssprecher.

Die rechtlichen Anforderungen sind klar formuliert: Die Leistungen aus Hartz IV müssen so bemessen sein, dass sie ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ sichern. Dazu gehört die physische Existenz (also etwa ein Dach über dem Kopf, Heizung, Lebensmittel) ebenso wie „ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ (etwa Bus- und Bahnfahrten oder Bücher).

Wie hoch der notwendige Bedarf eines Hartz-IV-Empfängers ist, berechnet die Bundesregierung bislang anhand der Konsumausgaben eines Alleinstehenden im untersten Fünftel der Einkommensskala. Basis dafür ist die alle fünf Jahre erhobene Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) in 60 000 Haushalten, die das Statistische Bundesamt durchführt. Dabei wird ermittelt, wie viel Geld die Vergleichsgruppe etwa für Kleidung, Lebensmittel oder Fortbewegung ausgibt. Bei der Berechnung des Regelsatzes hat die Politik bislang diese Ausgaben gekürzt, bei Kleidung und Schuhen etwa um zehn Prozent nach unten – mit dem Argument, dass im Regelsatz kein Geld für Maßanzüge vorgesehen sein müsse. Diese Abschläge seien nicht nachvollziehbar begründet, kritisierte das Verfassungsgericht. Außerdem monierten die Richter, dass der Bedarf von Kindern bislang prozentual von dem der Erwachsenen abgeleitet wurde – dies sei willkürlich. Zumal für Bildungsausgaben bei den Kindern in den bisherigen Berechnungen kein Cent vorgesehen war.

Eine Sonderauswertung der EVS mit Daten aus dem Jahr 2006 soll im Herbst vorliegen und die Grundlage für die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze bilden. Dass der Betrag für Erwachsene dann nach ersten Berechnungen des Arbeitsministeriums von zurzeit 359 auf 400 Euro steigen könne, wie der „Spiegel“ berichtet hatte, dementierte ein Sprecher. Über die künftige Höhe gebe es bisher keinerlei Aufschluss, sagte er. Angesichts der Spekulationen warnten mehrere Koalitionspolitiker mit Verweis auf das Lohnabstandsgebot davor, die Leistungen anzuheben. „Hartz IV darf nicht attraktiver werden als Arbeit“, mahnte etwa der stellvertretende Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs.

Eine solche Herangehensweise hält der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, für bedenklich. Zuerst müsse der Bedarf berechnet werden, dann der Regelsatz – erst danach müsse über die Folgeprobleme debattiert werden. „Alles andere wäre erneut verfassungswidrig“, sagt Schneider. Sollten die Regelsätze tatsächlich steigen, dann hätten auch wieder mehr Geringverdiener Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II – die sogenannten „Aufstocker“. Nach Ansicht von Schneider hilft da nur eins: Das Wohngeld und der Kinderzuschlag, mit dem Geringverdiener-Familien vor Hartz IV bewahrt werden sollen, müssten verbessert werden.

Auch wenn die künftige Höhe der Regelsätze noch offen ist, steht fest: Die jährliche Anpassung darf sich künftig nicht mehr nach der Rentenerhöhung richten, da diese durch demografische Faktoren gedämpft wird. In der Diskussion sind laut Arbeitsministerium verschiedene Kriterien, die auch kombiniert werden könnten: So könnten die Hartz-IV-Bezüge entsprechend der Inflation, der Lohnentwicklung oder der laufenden Wirtschaftsentwicklung steigen. Nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands wäre nur eine Kopplung an die spezifischen Lebenshaltungskosten sachgerecht, denn: „Nur die spiegeln den Bedarf eines Hartz-IV-Empfängers wider“, sagt Hauptgeschäftsführer Schneider.

Die zusätzlichen Leistungen für Kinder will die Arbeitsministerin nicht in erster Linie in Geld auszahlen, sondern als Sach- oder Dienstleistungen zur Verfügung stellen: vom kostenlosen Schulmittagessen über bezahlten Nachhilfeunterricht bis zur Mitgliedschaft im Sportverein oder dem Kurs in der Musikschule. Dafür, sagte die Ministerin der „Bild“-Zeitung, solle es künftig einen „Bildungspass“ geben, der einfach zu benutzen sei. Von diesen Angeboten sollen jedoch nicht nur die 1,8 Millionen Hartz IV-Kinder profitieren, sondern „alle Kinder, die Hilfe brauchen“, also auch Kinder von Geringverdienern, sagte die CDU-Politikerin: „Die Grenzen müssen fließend sein.“

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