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Politik: Bergung aus der Asse verzögert sich

Frühestens im November kann eine Kammer mit Atommüll angebohrt werden / Kritiker vermuten Kalkül

Göttingen - Die Bergung der radioaktiven Abfälle aus dem Atommülllager Asse verzögert sich. Wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) jetzt mitteilte, kann das Anbohren einer ersten Kammer mit Atommüllfässern frühestens im November beginnen. Durch die Bohrung wollen sich die Fachleute der Behörde einen ersten Überblick über den Zustand in dem Hohlraum und der rund 4200 dort lagernden Fässer verschaffen.

Im vergangenen Herbst hatte das BfS als Betreiber der Asse die Bohrung beim Niedersächsischen Umweltministerium beantragt. Erst Ende April kam die Genehmigung, das Ministerium versah den Bescheid überdies mit 32 umfassenden Auflagen. Diese Vorgaben hat das Bundesamt in einen Arbeitsplan mit 850 Teilschritten umgesetzt. Beschäftigte verlegen vor der Kammer bereits dekontaminierbare Bodenplatten. Erst wenn Gutachter die Bodenplatten freigegeben haben, darf das Bohrgerät mit allen Sicherheitseinrichtungen aufgebaut werden, sagt BfS-Sprecher Werner Nording. Auch für den Strahlenschutz und Radioaktivitätskontrollen der Abluft werden Messgeräte aufgestellt.

Vor Bohrbeginn müssen Gutachter erneut alle Geräte abnehmen. Parallel wird die Bohrmannschaft geschult. Bei den Bohrarbeiten wird als Erstes ein sogenanntes Standrohr in das Bohrloch einbetoniert. Sachverständige müssen auch dabei die Dichtigkeit der Verrohrung bestätigen. Erst dann kann ein sogenannter Preventer an dem Standrohr angebracht werden. Er soll verhindern, dass eventuell vorhandene Gase oder Flüssigkeiten aus der Kammer nach dem Anbohren unkontrolliert in das Bergwerk gelangen.

Bürgerinitiativen und Oppositionsparteien kritisieren die Verzögerungen und unterstellen dem vom Kernkraftbefürworter Hans-Heinrich Sander (FDP) geleiteten Ministerium taktisches Kalkül: Die Genehmigung für die Bergung der Abfälle werde mutwillig verschleppt und mit so vielen Auflagen versehen, bis das Zeitfenster verschlossen sei. Die Asse gilt nur noch für einen begrenzten Zeitraum als standsicher. Somit bliebe doch nur eine Flutung des Bergwerks und der Atommüll dauerhaft unter Tage. Weitere unliebsame Überraschungen kämen nicht ans Licht. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sagte, die Sicherheit müsse in allen Phasen gewährleistet sein, aber die Rückholung dürfe auch nicht „kaputtgeprüft“ werden.

Ministerpräsident David McAllister (CDU) widerspricht den Vorwürfen. „Wenn unterstellt wird, es würde bewusst das Verfahren verzögert, dann ist das unfair. Es stimmt schlicht und ergreifend nicht“, sagte er. Bei den Bohrungen handele es sich „nicht um irgendeine Routineangelegenheit“, sondern um den Beginn eines weltweit einzigartigen Projektes. Zu Recht sei immer gefordert worden, dass die Asse nach Atom- und nicht nach Bergrecht behandelt werde. Nun fänden „logischerweise die strengeren, komplexeren atomrechtlichen Vorschriften Anwendung“. Reimar Paul

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