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Verteidigungsminister Thomas de Maizière lachte hier mit den Soldaten sicher aus einem erfreulicheren Anlass. Der Bundesrechnungshof rügt: Die Streitkräfte verschwenden Millionen.

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Update

Bericht des Bundesrechnungshofes: Bundeswehr vergeudet Millionen Steuergelder

Millionen für unsinnige Luftkissenboote, eine eigene Nasenspray-Produktion bei der Bundeswehr und lockere Steuerprüfer. Der Bundesrechnungshof sieht viel Sparpotenzial. Lesen Sie hier die kuriosesten Ausgaben im Überblick

Der Bundesrechnungshof hat die schwarz-gelbe Koalition zu größeren Sparanstrengungen und einem schnelleren Defizitabbau aufgefordert. Angesichts der Risiken durch die Euro-Schuldenkrise sollte die Bundesregierung zudem mehr finanzielle Vorsorge treffen, mahnte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels am Dienstag in Berlin bei Vorlage des Jahresberichts. Darin machen die Rechnungsprüferzahlreiche Einsparvorschläge.

Allein durch den Verzicht auf unsinnige Projekte, strengere Steuerprüfungen und weniger nachlässige Kontrollen bei der Verwendung von Mitteln in den Ländern seien Einnahmen von bis zu1,5 Milliarden Euro möglich. Insgesamt seien die Einsparmöglichkeiten unabhängig von den aktuellen Empfehlungen um das Sechs- bis Siebenfache höher.

Die unsinnigsten Ausgaben im Überblick:

Bundeswehr produziert eigene Sonnencreme und Lippenbalsam
Es ist normal, dass die Bundeswehr in eigenen Produktionsstätten Medikamente und medizinische Produkte für die Soldaten produziert, die im freien Handel nicht erhältlich sind. Der Rechnungshof entdeckte jetzt: Dort werden auch Sonnencreme, Lippenschutzstifte, Hustentropfen und Nasenspray in Eigenregie produziert. Also Dinge, die in jeder Apotheke erhältlich sind. Die eigene Herstellung führt zu Mehrkosten in Millionenhöhe. Allein für den Neubau einer Produktionsstätte gab die Bundeswehr 20 Millionen Euro aus.

Luftkissenboote für die Armee vom Gebrauchtwagenhändler

Seit etwa 12 Jahren möchte die Bundeswehr 65 amphibische Luftkissenfahrzeuge kaufen. Kosten: 20 Millionen Euro. Die Bundeswehr orderte dann zunächst zwei Prototypen für 1,1 Millionen Euro, die aber nicht tauglich waren. Schließlich kauften sie bei einem im Bootshandel völlig unbewanderten Gebrauchtwagenhändler einen dritten Prototyp. Auch dieser Prototyp ist offenbar nicht funktionsfähig. Und die Luftkissenboote sind noch immer nicht bei den Streitkräften angekommen.

4350 Computer für 1800 Beschäftigte

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat offenbar großzügig kalkuliert. Sie hat nur 1800 Beschäftigte, aber fast dreimal so viele Computer, nämlich 4350. Den Überhang von 2550 PCs konnte die Bundesanstalt dem Rechnungshof nicht erklären.

Rentenversicherung verschickt sinnlose Briefe

Einmal jährlich werden die Renten angepasst. Die Rentenversicherungsträger müssen die Rentenbezieher über die neuen monatlichen Rentenbeträge informieren. Im Jahr 2010 veränderten sich die Renten allerdings nicht. Briefe, die darüber informierten, dass sich nichts ändere, wurden trotzdem verschickt. Kosten: Zehn Millionen Euro

Aufträge in Millionenhöhe freihändig vergeben

Schon länger beobachtet der Bundesrechnungshof auch das Bundesversicherungsamt. Dort wurden Aufträge im Gesamtwert von 1,8 Millionen Euro ohne Ausschreibung vergeben. Auch sonst sitzt das Geld dort locker: 100 der gekauften Laptops waren gar nicht mehr auffindbar. Zehn Beschäftigte verfügten über 27 Mobilfunkverträge und hatten zusätzlich bis zu drei dienstliche Notebooks gleichzeitig in Gebrauch.

Steuereinnahmen sinken, weil Steuerprüfer weniger arbeiten

Der Rechnungshof stellte fest, dass die Lohnsteuer-Außenprüfungen bundesweit rückläufig sind. Die Prüfungsquote sank von 7,1 Prozent 2005 auf 5,4 Prozent 2010. Im selben Zeitraum sanken die Steuereinnahmen aus Lohnsteuer-Außenprüfungen von 911 auf 787 Millionen Euro.

"Neuverschuldung hätte schon in diesem Jahr zurückgefahren werden können"

Rechnungshof-Präsident Dieter Engels sagte am Dienstag bei der Vorstellung der "Bemerkungen 2012" seiner Behörde, Schwarz-Gelb solle mehr sparen.
Rechnungshof-Präsident Dieter Engels sagte am Dienstag bei der Vorstellung der "Bemerkungen 2012" seiner Behörde, Schwarz-Gelb solle mehr sparen.

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Den von Schwarz-Gelb angestrebten schnelleren Schuldenabbau stützen die Rechnungsprüfer. „Für die Rückführung stehen die Chancen derzeit noch gut“, sagte Engels. Die derzeit noch günstigen Bedingungen sollten aber genutzt werden, um den Defizitabbau stärker voranzutreiben. „Wir sind der Meinung, dass durchaus die Neuverschuldung hätte auch in diesem Jahr schon ein Stück mehr zurückgefahren werden können“, sagte Engels. Die für 2013 geplante Kreditaufnahme der Koalition von17,1 Milliarden Euro wolle man nicht allzu sehr kritisieren:„Wir hätten es aber schöner gefunden angesichts (...) der Möglichkeiten, auch wirklich zu sparen, wenn die Neuverschuldung schon im nächsten Jahr deutlich reduziert worden wäre.“ So wäre mindestens eine „schwarze Null“ 2014 möglich gewesen.

Die aktuellen Pläne zur Rückführung der Neuverschuldung setzen laut Engels voraus, dass die Konjunktur stabil bleibt, die Steuereinnahmen weiter steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Zinsen nicht anziehen. Sollten sich diese Annahmen nicht erfüllen, wären die Pläne gefährdet. Weitere Risiken resultierten aus den Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro. Zudem seien die Beschlüsse der Regierungskoalition noch nicht gänzlich finanziert. Den Inhalt der Koalitionsbeschlüsse wollte Engels nicht kommentieren.

Die Koalition sollte das 2010 beschlossene Milliarden-Sparpaket umsetzen. Dies betreffe etwa Einnahmen aus einer Finanzsteuer sowie Einsparungen im Verteidigungsetat. Bei jedem Haushaltstitel sollte zudem untersucht werden, ob Zweck und Umfangeiner kritischen Prüfung standhalten.

Union und FDP wollen 2013 - drei Jahre früher - die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten. 2014 soll zumindest ein strukturell ausgeglichener Bundesetat vorliegen. Das tatsächliche Budgetdefizit soll 2016 auf null reduziert werden. Dann will der Bund erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten ohne neue Schulden auskommen. Beim Strukturdefizit werden Einmal- und Konjunktureffekte ausgeklammert. Neue Schulden fallen auch beim strukturell ausgeglichenen Etat an. (mit dpa)

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