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Demonstration für entführte Franzosen.

© AFP

Berichte über Entführungen: Geheimes Befreiungskommando

Wenn Deutsche im Ausland entführt werden, geraten sie schnell in Vergessenheit. Anders als in Frankreich gibt es in Deutschland kaum öffentliche Aktionen für sie - und auch aus den Schlagzeilen verschwinden sie. Das ist auch so gewollt.

Der BND ist verschwiegen. Das ist nicht weiter überraschend, Verschwiegenheit ist schließlich sein Geschäftsmodell. In der deutsch-amerikanischen Datenaffäre muss der Auslandgeheimdienst nun dennoch einiges über seine Arbeit preisgeben, vor allem was die Kooperation mit amerikanischen Stellen angeht. Soweit es geht, hält sich der Dienst auch dabei bedeckt, dennoch gab er nun zu, 2012 personenbezogene Daten an die National Security Agency (NSA) weitergegeben zu haben – Daten, die mit einem laufenden Entführungsfall eines deutschen Staatsbürgers in Zusammenhang stünden. Doch um welchen Fall handelt es sich dabei?

Ein Deutscher, der seit 2012 oder sogar schon länger im Ausland in der Hand von Geiselnehmern ist? Bisher scheinen die Bemühungen um seine Freilassung also vergeblich gewesen zu sein. Dennoch wollen die mit dem Fall befassten deutschen Behörden an ihrer Geheimdiplomatie festhalten – der BND sowieso und auch das Auswärtige Amt, das einen Krisenstab einrichtet wenn Deutsche im Ausland entführt werden. Dort hieß es am Dienstag: „Kein Kommentar zu dieser oder anderen Geiselnahmen.“ An einer Berichterstattung oder gar öffentlichen Aktionen für die in Not geratenen Landsleute hat man hier kein Interesse. Und so geraten Entführte in Deutschland schnell in Vergessenheit.

In Frankreich berichteten die Zeitungen täglich

Anders in Frankreich: Zeitungen berichteten über Monate täglich, als die beiden Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot  2007 im Irak entführt wurden. Catherine Deneuve und Juliette Binoche hielten jeden Tag eine Radioansprache, um an die Geiseln zu erinnern, und die Organisation Reporter ohne Grenzen hängte zwei riesige Plakate mit den Porträts von Chesnot und Malbrunot am Pariser Rathaus auf. Anfang 2008 kamen die beiden im Zuge eines US-Angriffs auf die irakische Stadt Falludscha schließlich frei.

Ähnliches hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Auch hier wird zwar darüber berichtet, wenn Deutsche im Ausland entführt werden, so wie zuletzt in Syrien der Journalist Armin Wertz, der auch für den Tagesspiegel arbeitet, und drei Entwicklungshelfer der Organisationen „Grünhelme“, ebenfalls in Syrien. Doch dann wird bei den beteiligten Behörden sehr schnell auf stille Diplomatie umgeschaltet. Für die Fälle in Syrien sind dies das Auswärtige Amt und wohl auch der BND, der in der Region sehr gut vernetzt ist. Offiziell sind dessen Aktivitäten natürlich nicht – und sie werden schon gar nicht öffentlich gemacht.

Entwicklungshelfer sind besonders häufig Opfer

Rupert Neudeck, Chef der „Grünhelme“ und als Gründer der Flüchtlingshilfe „Cap Anamur“ ein Veteran in Sachen öffentlichkeitswirksamer Kampagnen, ist eigentlich nicht der Typ, der eine restriktive Informationspolitik verteidigt. Doch diesmal hat auch er sich entschieden, möglichst wenig preiszugeben. „Mir fällt das schwer, denn es ist sonst nicht meine Art“, sagt er am Dienstag am Telefon. Doch er respektiere den Wunsch der Familie seines entführten Mitarbeiters und der zuständigen Behörden. Immerhin sind zwei der drei vor fast drei Monaten verschleppten „Grünhelm“-Helfer inzwischen wieder frei. Sie konnten ihren Entführern entkommen. Ihr Kollege, ein 72-jähriger Deutsch-Syrer, ist allerdings noch immer in Geiselhaft. „Heute ist der 82. Tag“, sagt Neudeck betrübt. Er vermutet Islamisten hinter der Tat, die aus dem Ausland nach Syrien gekommen sind. Das letzte Lebenszeichen seines Mitarbeiters, so viel verrät er noch, habe er vor drei Wochen erhalten.

Entwicklungshelfer sind besonders häufig Opfer von politischen oder kriminellen Banden, denn sie verzichten meist auf Bodyguards und tragen auch keine Waffen. Sie vertrauen darauf, dass die Bevölkerung ihre Arbeit anerkennt und sie unterstützt. Doch nicht immer geht dieses „Sicherheitskonzept“ auf. Ein Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe ist bereits seit Januar 2011 verschwunden. Gemeinsam mit einem italienischen Kollegen. Die beiden wollten Flutopfern in Pakistan helfen und sind seit nunmehr zweieinhalb Jahren in Geiselhaft. Auch ihr Fall wird von den Behörden und von ihrem Arbeitgeber aus der Öffentlichkeit herausgehalten.

Horrende Lösegeldzahlungen

Möglicherweise erleben weitere Deutsche ein ähnliches Schicksal, über die bisher aber gar nichts bekannt geworden ist. In der Vergangenheit gab es aber auch Fälle, die großes Aufsehen erregten und noch heute als spektakulär gelten: Die Entführung der Familie Wallert auf der südphilippinischen Insel Jolo im Jahr 2000 etwa oder die sogenannten Sahara-Geiseln, 14 Europäer, die 2003 fast ein halbes Jahr von ihren Peinigern durch die Wüste getrieben wurden. In beiden Fällen gab es eine breite Berichterstattung über die Verhandlungen mit den Entführern, und es wurde über horrende Lösegeldzahlungen spekuliert. Später wurde in Deutschland diskutiert, ob die Schlagzeilen Kriminelle und Extremisten in aller Welt zu weiteren Entführungen animieren könnten. Und letztlich ist dies wohl der Hauptgrund dafür, dass die Informationspolitik heute eine andere ist.  

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