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Politik: Berlin in Not – hilft jetzt der Bund?

Der Haushalt der Hauptstadt ist verfassungswidrig / Richter sehen Rot-Grün und die anderen Länder in der Pflicht

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Berlin. Das Landesverfassungsgericht hat den Berliner Doppelhaushalt 2002/03 am Freitag für verfassungswidrig erklärt, weil die Neuverschuldung die Investitionsausgaben weit übersteigt. Das Gericht wies aber darauf hin, dass dies ausnahmsweise zulässig sein könne, „wenn sich ein Bundesland in einer extremen Haushaltsnotlage befindet“. Der Senat habe es bei der Aufstellung des Haushalts jedoch versäumt, sich auf die Notlage zu berufen und sie ausreichend darzulegen. Mit diesem Urteil „haben wir im Land das höchstrichterliche Siegel, dass sich Berlin in einer Haushaltsnotlage befindet“, sagte Finanzsenator Thilo Sarrazin.

Von cordula eubel und

Ulrich Zawatka-Gerlach

Nach einer Sondersitzung des Senats äußerte sich am Freitag auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zufrieden. „Das Verfassungsgericht hat auch bestätigt, dass Berlin eine Bundeshilfe braucht“, sagte er. Der SPD/PDS-Senat hatte im September Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um Sanierungshilfen zur Entschuldung des Landeshaushalts zu erzwingen. Die Karlsruher Richter haben inzwischen Bund und Länder aufgefordert, zur Klageschrift Stellung zu nehmen. Dafür wurde nach Informationen des Tagesspiegels eine außergewöhnlich kurze Frist – bis Februar 2004 – anberaumt. Dies weist nach Einschätzung aus Senatskreisen darauf hin, dass die zuständige Kammer dem Verfahren durchaus Eilbedürftigkeit zugesteht.

Der Prozessbevollmächtigte des Landes Berlin, Joachim Wieland, schloss sich am Freitag der Meinung Sarrazins an. Das Urteil des Gerichts stelle „für die Klage in Karlsruhe eine echte Unterstützung dar“. Die Richter verwiesen in der Urteilsbegründung ausdrücklich auf die Pflicht des Bundes und der Länder, „darauf hinzuwirken, dass das von einer extremen Haushaltsnotlage betroffene Land wieder zur Wahrung seiner politischen Autonomie und zur Beachtung seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtungen befähigt wird“. Denn es sei durch die Notlage daran gehindert, mit seiner Haushaltswirtschaft und -politik den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Im Grundgesetz und den Länderverfassungen wird ein Überschreiten der Kreditobergrenze nur dann zugelassen, wenn die höhere Neuverschuldung der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts dient.

Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel lehnt Zuschüsse aus Bundesmitteln ab. „Der Bund kann nicht für die Berliner Haushaltsprobleme geradestehen“, sagte Scheel dem Tagesspiegel. Auch andere Länderhaushalte stünden auf der Kippe – 14 von 16 Ländern droht die Verfassungswidrigkeit ihres Etats für 2004.

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