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Politik: Berlin muss es alleine schaffen

Karlsruhe urteilt: Bund und Länder sind zu Hilfen nicht verpflichtet Wowereit sarkastisch, Sarrazin lakonisch, Länderchefs ohne Mitleid Wirtschaftsinstitut: Das Urteil ist eine KatastropheBerlin - Berlin ist am Donnerstag in Karlsruhe leer ausgegangen: Das Bundesverfassungsgericht sieht keinen Grund, warum die mit über 61 Milliarden Euro hoch verschuldete Hauptstadt Hilfen des Bundes und anderer Länder zur Sanierung des Haushalts bekommen sollte. Nach Ansicht der Richter ist die Berliner Situation zwar angespannt, aber das Land „befindet sich nicht in einer extremen Haushaltsnotlage“.

Karlsruhe urteilt: Bund und Länder sind zu Hilfen nicht verpflichtet Wowereit sarkastisch, Sarrazin lakonisch, Länderchefs ohne Mitleid Wirtschaftsinstitut: Das Urteil ist eine Katastrophe

Berlin - Berlin ist am Donnerstag in Karlsruhe leer ausgegangen: Das Bundesverfassungsgericht sieht keinen Grund, warum die mit über 61 Milliarden Euro hoch verschuldete Hauptstadt Hilfen des Bundes und anderer Länder zur Sanierung des Haushalts bekommen sollte. Nach Ansicht der Richter ist die Berliner Situation zwar angespannt, aber das Land „befindet sich nicht in einer extremen Haushaltsnotlage“. Ein „bundesstaatlicher Notstand“, der allein Sanierungshilfen rechtfertigen würde, sei nicht zu erkennen. Zudem sind die Richter der Meinung, die Berliner Haushaltsprobleme seien aus eigener Kraft zu bewältigen. Die Klage, mit der der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Geld von Bund und Ländern erzwingen wollte, ist damit auf ganzer Linie gescheitert. Das Gericht verschärfte mit dem Urteil seine Rechtsprechung zu Lasten der Schuldner und betonte die Eigenverantwortung und Eigenständigkeit der Bundesländer in ihrer Haushaltspolitik.

Wowereit reagierte enttäuscht und sarkastisch: „Das Bundesverfassungsgericht schätzt offensichtlich die Haushaltslage in Berlin viel besser ein als wir selber.“ Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) meinte, „das Leben geht weiter und das Urteil ist klar: Uns hilft keiner mehr, wir müssen uns selber helfen.“ Die Karlsruher Entscheidung soll am kommenden Montag Thema bei den rot-roten Koalitionsverhandlungen in der Hauptstadt sein. Von beiden Seiten verlautete am Donnerstag, man wolle an der bisherigen Konsolidierungspolitik festhalten. CDU- Fraktionschef Friedbert Pflüger stellte fest: „Das Urteil ist ein schwerer Schlag für Berlin.“ Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, nannte das Urteil eine „Katastrophe“ für Berlin, das damit zum „Sozialfall“ werde.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zeigte sich dagegen erleichtert. Die Rechtsauffassung des Bundes sei bestätigt worden. In Not geratene Bundesländer könnten jetzt nicht mehr einfach sagen, der Bund solle einspringen. Fast alle Länder begrüßten die Karlsruher Entscheidung, Bremen und das Saarland wollen dagegen ihre Notlageklagen aufrechterhalten. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte dem Tagesspiegel: „Das Urteil ist beeindruckend klar. Es pocht sehr auf die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Länder, was die Verpflichtung einschließt, eingegangene Risiken auch selber zu tragen.“ Nach Ansicht des Schweriner Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (SPD) hätte ein entgegengesetztes Urteil „die enormen Sparanstrengungen anderer Bundesländer konterkariert“. Baden- Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte: „Wer ohne echte Not Schulden macht, kann sich nicht hinterher bei anderen schadlos halten.“ Das Netz bundesstaatlicher Finanzsolidarität sei „keine Hängematte“.

Die Ministerpräsidenten vereinbarten in Bad Pyrmont, mit dem Bund über die zweite Stufe der Föderalismusreform zu beraten. Dabei soll es vor allem um Finanzfragen gehen. Dies war auch Thema eines Gesprächs der Länderchefs mit Bundespräsident Horst Köhler. Altbundespräsident Roman Herzog hält die Reform für dringend nötig. Die große Koalition habe nun die Chance, „ein auf mehr Selbstverantwortung der Länder basierendes Steuer-, Haushalts- und Ausgabensystem zu schaffen“, sagte er.

Nach dem Karlsruher Urteil sind Bundeshilfen für Schuldenländer nur noch möglich, wenn sie der einzig verbliebene Ausweg sind. Das sei bei Berlin nicht der Fall. Die Richter verweisen darauf, dass die Berliner Probleme „im Schwerpunkt nicht auf der Einnahmenseite, sondern auf der Ausgabenseite liegen“. Bei den Ausgaben seien „erhebliche Einsparpotenziale“ zu erwarten. Der Vergleich mit dem Stadtstaat Hamburg deute auf Mehrausgaben Berlins „in eindrucksvollen Ausmaßen“ hin, nicht zuletzt im Wohnungswesen. Genannt werden auch die Bereiche Hochschule, Wissenschaft und Kultur. Die Richter verwiesen auf die Möglichkeit der Gewerbesteuererhöhung und des Verkaufs landeseigener Wohnungen, um Schulden zu dämpfen.

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