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Berlin nach der Wahl: Klaus Wowereit hält sich alle Optionen offen

Am Tag nach der Wahl bleibt für die SPD die Erkenntnis: gesiegt, aber nicht richtig gewonnen. Wowereit muss erste Leitplanken einziehen und SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigt seine Neigung zu Tieren.

Berlin ist so groß. Und Sigmar Gabriel will die ganze Sache noch etwas größer machen, als sie tatsächlich ist. Die SPD sei stärkste Kraft in einer Stadt mit 300 Millionen Menschen geworden. Ein Raunen geht durchs Willy-Brandt-Haus. Und auch Klaus Wowereit zieht die Augenbraue hoch. Gabriel stockt. Und der Weiter-Regierende Bürgermeister korrigiert: 3,4 Millionen Menschen leben in Berlin. Aber ein Gabriel macht keine Fehler. Dreieinhalb Millionen Menschen - nichts anderes habe er gesagt. Aber egal, Hauptsache viele. Darum geht es bei der SPD. Die 28,3 Prozent müssen eben einfach etwas mehr aussehen als sie sind. Sie reichen für den Regierungsauftrag und sie reichen, um Wowereit innerparteilich nicht großartig wachsen zu lassen.

SPD-Chef Gabriel lässt sich durch die schnöde Frage nach der genauen Einwohnerzahl Berlins nicht die Kampfeslaune vermiesen. Er geht einfach ein paar Zahlenreihen tiefer und beschäftigt sich mit der FDP. Die Liberalen seien mit ihrem Anti-Euro-Kurs gescheitert. "Damit sind sie ungefähr auf ein Niveau mit der Tierschutzpartei gesunken - wenngleich es unfair gegenüber der Tierschutzpartei ist, beide Parteien miteinander zu vergleichen", sagt Gabriel. Die Lacher sind ihm sicher. Und so versuchen die Sozialdemokraten trotz der Verluste gegenüber der vergangenen Wahl, allen politischen Honig zu saugen.

Klaus Wowereit aber muss jetzt sehen, was er mit diesem Wahlergebnis anfängt. Gedanklich haben sich die Sozialdemokraten längst auf ein rot-grünes Bündnis eingestellt. Doch als am Sonntagabend diese Konstellation nur noch über einen Mehrheit von einem Sitz verfügte, kamen Zweifel auf. Plötzlich muss ein Bündnis mit der CDU ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Immerhin sind es nun zwei Sitze über den Durst. Aber wesentlich stabiler ist eine solche Mehrheit auch nicht. Und trotzdem. Die Sozialdemokraten liebäugeln weiter heftig mit den Grünen. Wowereit aber muss nun Leitplanken setzen. Und das tut er. Man werde mit beiden Parteien Sondierungsgespräche führen. Es gehe darum, eine Politik der "sozialen Gerechtigkeit" durchzusetzen. Ein Angebot an den linken Flügel der SPD und ein Signal für die Grünen. Dann sagt er aber auch. Es stünde eine "harte Politik bevor, bei der Arbeitsplätze geschaffen werden müssen und die Wirtschaft vorangebracht werden muss". Es gehe darum, wichtige Fragen der Infrastruktur umzusetzen. Der Flughafen in Schönefeld sei ein wichtiges Thema. Aber auch die A 100 . "Es geht dabei auch um eine Haltung: Wollen wir die Stadt weiterentwickeln oder nur ein paar kleine Biotope hinzufügen?", fragt Wowereit. Und das darf man getrost als kleine Warnung an die Grünen lesen. Am Ende hält er sich alle Optionen offen und bringt Merkmale für beide Konstellationen auf zwei Begriffe: Vertrauen und Stabilität. "Mit wem wir das umsetzen können, werden wir sondieren", sagt Wowereit.

Den Wahlkampf hat der Regierende Bürgermeister noch nicht ganz aus den Knochen. Der Einzug der Piraten ins Abgeordnetenhaus hat ihn doch sichtlich überrascht und scheinbar auch ein wenig geärgert. Zwar spricht er von "Respekt", greift aber gleich an. "Die Genderpolitik haben sie noch nicht angenommen. Denn unter den 15 Abgeordneten gibt es nur eine Frau. Das ist nicht Fortschritt, sondern Rückschritt."

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