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Politik: Berlin will Läden rund um die Uhr öffnen

Bundesverfassungsgericht erklärt Einkaufszeiten zur Ländersache – und deutet für den Sonntag neue Ausnahmemöglichkeiten an

Karlsruhe/Berlin In Deutschland werden die Länder künftig selbst weitgehend bestimmen, wann die Geschäfte öffnen. Dies geht aus einem Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch hervor. Nach Angaben aus der Berliner Wirtschaftsverwaltung sollen die Läden im Innenstadtbereich künftig wochentags rund um die Uhr öffnen dürfen.

Zwar wiesen die Richter eine Beschwerde des Kaufhof-Warenhauses zurück und bestätigten das geltende Ladenschlussgesetz. Der Bund sei jedoch „zur Prüfung verpflichtet, ob es durch Landesrecht ersetzt werden kann“. Auch an Sonntagen könnte es dem Urteil zufolge neue Ausnahmen vom bestehenden Öffnungsverbot geben. Die Richter unterstrichen den in der Verfassung garantierten Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe, allerdings dürfe bei Ausnahmen ausdrücklich das „geänderte Freizeitverhalten“ der Bürger berücksichtigt werden. Gewachsene Mobilität, Freizeitindustrie und der Ausbau von Urlaubs- und Erholungsgebieten hätten den Bedarf an Einkaufsmöglichkeiten steigen lassen, heißt es in dem Urteil. Strikt schütze die Verfassung lediglich einen „Kernbestand der Sonn- und Feiertagsruhe“.

Die Länder begrüßten das Urteil. Mehrere Regierungen kündigten Regelungen an. Neben Berlin wollen auch Hessen und Sachsen den Verkauf unter der Woche freigeben. Mecklenburg-Vorpommern erwägt für den Sonntag eine Regelung, welche die Interessen von „Geschäften, Touristen und Gottesdienst“ in Einklang bringe, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. „Es wird in Zukunft mehr Flexibilität für Händler und Kunden geben“, sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD).

Wie und ab wann die Verantwortung für die Ladenschlusszeiten vom Bund auf die Länder übergeht, ist derzeit noch unklar . Nach Ansicht der Verfassungsrichter ist der Bund infolge einer Grundgesetzänderung nicht mehr für den Ladenschluss zuständig. Eine „grundlegende Neukonzeption“ sei allein Sache der Länder – jedoch erst nach gesetzlicher Ermächtigung durch den Bund. Vier der acht Richter hielten zudem die bestehende Beschränkung der Öffnungszeiten wochentags auf 20 Uhr für verfassungswidrig. Arbeitnehmer seien auch anders zu schützen, es gebe keine Gründe für Privilegierungen bestimmter Einzelhändler. Die zahlreichen Ausnahmen seien unübersehbar und vor allem unkontrollierbar. Vier Stimmen genügen jedoch nicht, um ein Gesetz zu kippen. Dazu wäre eine Mehrheit von fünf nötig gewesen.

Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz (CDU) forderte die Bundesregierung auf, beim Ladenschluss aktiv zu werden. „Dieses Thema muss in Berlin und nicht in Karlsruhe entschieden werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch (Grüne) plädierte für eine weitere Öffnung. „Es spricht nichts dagegen, den Ladenschluss mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen freizugeben oder in einem Zwischenschritt den Ländern die Zuständigkeit zu übertragen“, sagte er dem Tagesspiegel.ce/asi/afk/neu

Seiten 10 und 17

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