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Neuer Wind. Faktensicher, eloquent, unverkrampft. Die stellvertretende Berliner Polizeipräsidentin Margarete Koppers hat sich in kurzer Zeit viele Sympathien erworben.

© dapd

Berliner Polizei: Präsidentin auf Bewährung

Es hat sich etwas geändert bei der Berliner Polizei. Manchmal wird dort jetzt auch gelacht. Margarete Koppers führt seit zehn Monaten die Behörde als Vize-Chefin. Und wenn am 1. Mai alles gut für sie läuft, dann könnte sie Präsidentin werden.

Diesmal trägt sie die Verantwortung. Zum ersten Mal. Die Verantwortung für zwei lange Tage. An denen wird sich einiges entscheiden. Ob es in Berlin friedlich bleiben wird am 1. Mai, ist die eine Seite. Der Arbeiterfeiertag ist für die Polizei jedes Mal eine Herausforderung. Aber diesmal, das weiß Margarete Koppers, wird das, was um den 1. Mai herum in Berlin geschieht, auch für ihre Karriere entscheidend sein.

Der 1. Mai, das sind die Stunden des Polizeipräsidenten. Seit Monaten ist die Stelle unbesetzt. Margarete Koppers leitet die Behörde nur kommissarisch. Ein kleiner Fehler an einem prekären Tag wie dem 1. Mai, und es könnte heißen, dass das auch besser so bleiben sollte. Nicht, dass der Tag deshalb ein Thema wäre, zu dem sich Koppers persönlich äußern würde. Auch nicht, ob sie sich auf die jetzt neu ausgeschriebene Stelle für die Leitung von Deutschlands größter Polizeibehörde bewerben will. Die Juristin beantwortet das auf ihre Weise. Sie bereitet im Präsidium am ehemaligen Flughafen Tempelhof seit Wochen den Großeinsatz von mehr als 7000 Beamten vor. Sollten die Einsatzhundertschaften von einer Welle der Gewalt überrascht werden, dann wird gefragt werden: Kann diese Frau das?

„Wir sind gut vorbereitet“, sagt Margarete Koppers mit einem Ton, der sehr entschlossen klingt. Die Formel für einen friedlichen 1. Mai? „Fünfzig Prozent Vorbereitung, fünfzig Prozent Glück“, antwortet sie ruhig.

Glück? Das klingt anders als der ruppige, auch machohafte Ton, den etliche altgediente Polizeiführer draufhaben. Dabei wird diesmal manches schwieriger als in den vergangenen Jahren. Der 1. Mai in Berlin, das ist ein zweitägiges Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Polizei nie vorher weiß, in welcher Seitenstraße gewaltbereite Kleingruppen auftauchen und Randale machen. Es ist die Imitation eines Bürgerkriegs, aber woher das Aggressionspotenzial kommt und was dazu führt, das es sich entlädt, ist im Voraus nicht zu erkennen.

Für die Krawalldynamik aber nicht unwichtig ist, dass dieser 1. Mai ein fragwürdiger Jahrestag sein wird. Vor 25 Jahren, am 1. Mai 1987, brannte Kreuzberg erstmals. Zwischen Kottbusser Tor und Görlitzer Bahnhof gab es Straßenschlachten bis tief in die Nacht, und eine über Stunden hilflose Polizei konnte nicht verhindern, dass ein Supermarkt ausbrannte – der Beginn einer unseligen Tradition.

Eine Bildergalerie zur Geschichte der Krawalle:

Diesmal muss sich die Polizei auf ungewohntes Terrain begeben. Der Brennpunkt des Walpurgisnacht-Spektakels am Vorabend des 1. Mai liegt nicht wie üblich am Boxhagener Platz in Friedrichshain, sondern in Wedding. Die Demo-Veranstalter kokettieren schon damit, dass dabei etwa die nahe SPD-Landeszentrale oder die Arbeitsagentur „eingefärbt“ werden könnte. Außerdem wollen die Autonomen bei ihrer traditionellen „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ nicht mehr durch Kreuzberg ziehen, wo sich die Polizei bestens auskennt, sondern mitten durchs Berliner Stadtzentrum – auch das ein logistischer Albtraum. Ministerien, Banken oder die Glaspaläste in der Friedrichstraße müssen geschützt werden. Was passiert, wenn die Polizei überrannt und der Potsdamer Platz „entglast“ wird? Schlagzeilen in der ganzen Welt werden verkünden, dass Berlins Polizei die Sache nicht im Griff hat. Ihre Polizei.

Was sich unter Koppers verändert hat

Seit zehn Monaten führt die 50-jährige Margarete Koppers als stellvertretende Polizeipräsidentin die Behörde mit nahezu 24 000 Mitarbeitern. Sie tut es vom unverändert gebliebenen Büro ihres Vorgängers aus, das vollgestellt ist mit für sie unpassend wirkenden altmodischen, dunklen Möbeln. Eine neue Einrichtung hat sie als zu teuer verworfen. Schließlich fehlt bei der Polizei das Geld an allen Ecken und Enden. Da kämen teure Designmöbel nicht gut an.

So erkennt man in diesem Chefzimmer nicht sofort, was sich unter Koppers verändert hat, wie viel Vertrauen sie in die Mitarbeiter setzt. Das war unter ihrem Vorgänger Dieter Glietsch eher unterentwickelt. Geführt wurde von ganz oben. Der Chef war immer am besten vorbereitet und ließ seinen Führungskräften kaum Gelegenheit, eigene Ideen und Konzepte zu entwickeln. Nun hört man im Präsidium oft, dass eine andere Führungskultur erprobt werde und Mitarbeiter ermutigt würden, mehr Eigeninitiative zu entwickeln. Koppers lacht jetzt darüber, dass anfangs als Befehl verstanden wurde, was bloße Anregung sein sollte. Und sie lacht viel, was bisher in der Dienstordnung der Polizei nicht recht vorgesehen war. Die Atmosphäre habe sich positiv verändert, versichern höherrangige Mitarbeiter.

Ob am Rande eines Einsatzes oder bei einem Termin in der Polizeikaserne – überall kann man erleben, wie Koppers auf Mitarbeiter zugeht und für sich einnimmt, weil sie natürlich wirkt und den richtigen Ton trifft. Damit schafft sie es, auch angespannte Situationen zu entkrampfen. Etwa wenn sie im Kostüm bei ihren Einsatzkräften am Rande einer Demonstration auftaucht und aus Jux den Kampfhelm überstülpt. Mitarbeiter erzählen, dass Polizisten sie mit „Hey, Chefin“ grüßen und mit ihr diskutieren, dass es dabei auch mal Widerworte gibt. Unvorstellbar beim häufig bärbeißig wirkenden Vorgänger Glietsch, der stets Distanz hielt. Bei ihm hätten selbst höherrangige Beamte sich „nicht getraut, ihre Meinung zu sagen“, urteilt einer, der beide Präsidenten gut kennt. „Eis brechen, Menschen gewinnen“, das könne sie, sagt ein Mitarbeiter. Bei Koppers, die bei vielen Einsätzen vor Ort ist und regelmäßig die Einsatzleitungen der Schutzpolizei besucht, „sprudelt gleich die Kommunikation“, und es würden „freimütig“ die Probleme angesprochen. „Frauen hören besser zu“, antwortet Koppers auf die Frage, was Frauen besser als Männer können.

Auch nach außen hat sie das Bild der Polizei verändert. Ihrem Dienstherrn, Berlins Innensenator Frank Henkel, stahl sie vor kurzem am Brandenburger Tor die Show. Eigentlich ein Pflichttermin, diese feierliche Übergabe von 20 neuen BMW-Motorrädern. Die Frau, die ein wenig zierlich wirkt neben den riesigen Maschinen, hat sich in die blaue Uniform geworfen, das Polizeiemblem am Oberarm, die Schirmmütze keck auf den blonden Haaren. Zusammen mit Henkel fügt sich Koppers ins Unvermeidliche, trägt den albern überdimensionierten Pappschlüssel, wie es sich eben gehört, und schafft es, dem banalen Termin die Steifheit zu nehmen. Sie plaudert mit den Beamten in Lederkluft und neongrünen Westen, und witzelt darüber, wie „sehnsüchtig“ die Männer die neuen Kraftpakete erwartet haben, nachdem sie sich jahrelang über defektanfällige Moto Guzzis geärgert hatten.

Dabei ist Margarete Koppers selbst notorische Radlerin. Es fiel ihr schwer, sich an den Dienstwagen zu gewöhnen. Seit einem gemeinsamen Interview mit Bundesministerin Ursula von der Leyen im „Stern“ ist Koppers bundesweit bekannt als Unterstützerin der Frauenquote in Führungspositionen. Es würde sie nicht zur Chefin machen, aber ein Defizit beheben. In Berlin beträgt der Frauenanteil bei der Polizei nur 22 Prozent, und in den Führungsetagen ist Koppers allein unter Männern. Erst seit 1994 sind Frauen in Deutschland für den höheren Polizeidienst zugelassen. Deshalb gibt es nur eine Handvoll Polizeipräsidentinnen, vornehmlich in kleineren Städten – fast alle haben wie Koppers Jura studiert, statt in der polizeiinternen Hierarchie nach oben geklettert zu sein. Dort sind sie bei der Vergabe von Führungspositionen gegenüber den mit mehr Goldsternen ausgestatteten Kollegen meist benachteiligt.

In Berlin konnte sich Koppers, erst seit Mai 2010 bei der Polizei, bei der ersten Ausschreibung Ende 2010 als Nachfolgerin von Glietsch gar nicht bewerben: Der vormaligen Vize-Präsidentin des Berliner Landgerichts und Quereinsteigerin fehlte die geforderte polizeiliche Ausbildung.

Dass Koppers dafür vieles Andere zu bieten hat, wird inzwischen weit über das Polizeipräsidium hinaus registriert. Tatsächlich hatte das auch mit Glück zutun. Sie wäre übergangen worden, wenn sich Innensenator Körting im ersten Besetzungsverfahren nicht halsstarrig für seinen Kandidaten verkämpft hätte, worauf die Richter das handwerklich desaströse Berufungsverfahren kippten. Nun erlebt der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux im parlamentarischen Innenausschuss beeindruckt eine faktensichere Berichterstatterin, die eloquent zu reden weiß. Und inzwischen hat Koppers in der sensiblen Demonstrations-Hauptstadt Berlin, wo die Öffentlichkeit leichter erregbar ist als in anderen Teilen der Republik, mehr Einsatzerfahrung gesammelt als viele mögliche männliche Bewerber.

Auch bei der Vorstellung der Polizeikonzeption für den 1. Mai beeindruckt sie. Sachlich, aber trotzdem locker skizziert sie ihre Pläne. Wie bei einem gut eingespielten Duo funktioniert mit Blicken die Absprache mit Innensenator Frank Henkel, der abermals neben ihr sitzt, wer welche Fragen beantwortet. Zwischendurch stecken sie die Köpfe zusammen und tuscheln. „Susi und Strolch“, wie Disneys flauschiges Hundeliebespaar, werden die beiden in ihrer Behörde seitdem genannt. Die CDU war anfänglich reserviert ihr gegenüber, weil die parteilose Koppers noch vom SPD-Senator Ehrhart Körting eingestellt wurde. Frank Henkel, mit dem sich die oberste Polizistin regelmäßig trifft, hat ihre persönliche Art und fachliche Zuverlässigkeit schätzen gelernt und lobt ausdrücklich ihre Arbeit.

Koppers- die unangepasste Karrierefrau

Seit 1980 ist die Rheinländerin schon in Berlin, lebte in Wohngemeinschaften und studierte Jura, bevor sie 1985 in den Justizdienst ging. Damals habe sie auch viel demonstriert, erzählt sie. Die Kreuzberger Krawalle aber hat sie immer nur von der anderen Seite wahrgenommen – als Haftrichterin standen ihr ab 1991 die festgenommenen Randalierer gegenüber.

Koppers, die einmal verheiratet war und sagt, sie habe seitdem „verschiedene Beziehungsmodelle ausprobiert“, macht keinen Hehl daraus, dass sie Karriere machen wollte: „Ich war immer entschlossener, als man vielleicht von Frauen erwartet.“ Anpassung war für sie nie eine Strategie. „Ein bisschen widerspenstig sein kann nicht schaden“, sagt sie. Auch in der Justiz habe sie häufig gegen Vorurteile ankämpfen müssen, dass Frauen intellektuell nicht für die Führungsaufgaben geeignet seien. Sie hätte gerne Kinder gehabt, sagt sie über die Kehrseite ihres Aufstiegs, den Männer immer noch besser organisieren könnten.

Ihren Führungsstil nennt sie „grundsätzlich kooperativ“, was durchaus einen warnenden Unterton hat. Koppers sei „präzise und gelassen“, bestätigen Mitarbeiter, könne aber auch knallhart sein. Freie Wochenenden seien wohl die Tage, an denen sie allein im Büro sei, merkt die Polizeichefin selbstironisch an. Während ihr Vorgänger als ausgeprägter Perfektionist fast alle Entscheidungen an sich zog, gesteht die als extrem arbeitsam geltende Frau ihren Mitarbeitern viel Eigenverantwortung zu. Nicht bei allen kommt aber gut an, dass nun Kreativität und Initiative gewünscht sind, wo Befehle die gewohnte Kommunikationsform waren. Da ist zuweilen zu spüren, dass es nicht nur Anhänger der Quereinsteigerin gibt, die sich ohne gewachsene Seilschaften gegen den Apparat behaupten muss.

In ihrer Behörde zieht sie auch unpopuläre Maßnahmen durch, etwa die neue Arbeitszeitregelung. Trotz des Protestes der Personalvertretung. Auch andere Neuerungen hat sie eingeführt wie jene, sich seit kurzem persönlich um politisch brisante Demonstrationsanmeldungen zu kümmern. Koppers scheute auch trotz Kritik nicht davor zurück, das erst vor Jahresfrist unter viel öffentlichem Lob direkt beim Präsidenten angesiedelte „Büro für Integration und Migration“ einfach dem Landeskriminalamt anzugliedern. Damit habe sie einen „Problemstau“ bei der „innerlich zerstrittenen und uneffektiven“ Arbeitsstelle aufgelöst, wird nun behördenintern gelobt.

Schwierige Termine scheut sie nicht. So saß sie etwa mit am Tisch, als sich vor einigen Monaten eine Gruppe von Juden, Christen und Muslimen zusammenfand, nachdem zwei Moscheen und die Jüdische Gemeinde rechtsextreme Drohbriefe zugeschickt bekamen. Freimütig gesteht sie ein, dass sie einen Vertrauensverlust der Polizei seit der Mordserie der Zwickauer Terrorzelle spüre. Positiv kommt ihre Selbstkritik an, dass auch ihre Behörde nicht frei von Rassismus sei. Manches tut sie, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt. Etwa wenn sie sich mit dem Arbeitskreis homosexueller Polizisten trifft, um sich deren Probleme anzuhören.

Eine gute Figur machte sie im Sommer 2011 beim Großeinsatz gegen die Autobrandstiftungen, wo gemeinsam mit Verstärkungen von der Bundespolizei mit der Festnahme eines Serienbrandstifters auch die Welle der Gewalt gestoppt werden konnte. Mit ihrer ruhigen Art trug sie auch dazu bei, dass die Aufregung über die massenhafte Funkabfrage von Handydaten schnell wieder abebbte.

Der 1. Mai könnte das alles kaputtmachen. Endet der Tag mit Gewalt, Straßenschlachten und den Bildern brennender Mülltonnen, hat ihre stille, arbeitsame Empfehlung für das höchste Amt nur noch wenig Bedeutung. Margarete Koppers weiß das. „Immer noch“, hat sie gesagt: „gilt allzu oft: Alles, was Sie falsch machen, machen Sie nur deshalb falsch, weil Sie Frau sind.“

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