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Wenn der Staat Schulgebäude verfallen lässt, wie hier die Poelchau-Schule in Charlottenburg, zeigt er seine Geringschätzung gegenüber Schülern und Lehrern.

© Mike Wolff

Berlins verfallene Schulen: Olympia hier, kaputte Klos dort – Wahn und Wirklichkeit in Berlin

Engagierte Lehrer gleichen fast jeden Mangel einer Schule aus. Doch wenn die Gebäude fahrlässig dem Verfall überlassen werden, zeigt das die falschen Prioritäten der Politik. Ein Kommentar.

Berlin darf sich nicht um die Olympischen Spiele bewerben. Hat gerade der Deutsche Olympische Sportbund entschieden. Da haben wir noch mal Glück gehabt. Dafür hat die Politik aber nun entschieden, dass die Albert- Einstein-Schule in Neukölln 250 000 Euro für die überfällige Sanierung der Sanitäranlagen bekommt. Nicht nur da ist man glücklich, dass es neue Toiletten gibt. Die Freude zieht sich quer durch die Bezirke. Freude über das Siwa genannte Sonderprogramm zur Sanierung der öffentlichen Infrastruktur, vor allem der Schulen. Olympia hier, kaputte Klos dort – das beschreibt die Kluft zwischen Wahn und Wirklichkeit in dieser Stadt.

Siwa steht für „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“. In Siwa fließen 495 Millionen Euro aus Haushaltsüberschüssen. Längst nicht alles geht in die Sanierung der Schulen, aber viel. Tagesspiegel-Redakteurin Susanne Vieth-Entus hat die lange Liste der Projekte vorgestellt. Es ist nicht nur reine Berichterstatterpflicht, die eine Redaktion dazu bringt, Bezirk für Bezirk genau zu dokumentieren, wie viel Geld für die Erneuerung von Duschen, Toiletten und Turnhallendächern zur Verfügung steht. Nein, damit soll den gegenüber allen Verwaltungsversprechen zu Recht misstrauischen Eltern, Schülervertretern und Lehrern Zahlenmaterial an die Hand gegeben werden, damit sie sich am Ende des Jahres auf solche Senatszusagen berufen können, wenn mal wieder nichts geschehen ist. Weil in den Bauämtern der Bezirke zum Beispiel wegen Personalmangels die Anträge der Schulen nicht bearbeitet werden konnten und die Gelder deshalb ungenutzt zurückgehen. Da lässt man es dann zum Knall kommen, nach der Devise: Ätsch, Bürger, das hast du davon, dass wir Personal sparen müssen. Das ist geradezu die Königsdisziplin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Dessen Verantwortliche wollten 375 000 Euro wegen „Überlastung“ der Behörden verfallen lassen. Das aber wollten die Schulleiter nicht hinnehmen.

Auch wohlhabende Bezirke haben Probleme

Am Vermögen oder Unvermögen der Bezirke hängt viel. Dass es den größten Sanierungsstau nicht etwa in einem ehemaligen Ostbezirk wie Lichtenberg, sondern im vergleichsweise wohlhabenden Steglitz-Zehlendorf gibt, dürfte auch hausgemachte Ursachen haben. Das bürgerliche Reinickendorf steht beim Sanierungsbedarf der Schulen ebenfalls nicht gut da.

Nun weiß jeder aus eigener Schulerfahrung, dass es bei Erfolg oder Scheitern neben den eigenen Fähigkeiten vor allem auf die Qualitäten der Lehrer ankommt. Motivierende Pädagogen gleichen fast jeden Mangel aus. Aber wenn der Staat die ihm kraft Gesetz überantworteten Gebäude nicht pflegt, sondern fahrlässig oder vorsätzlich verfallen lässt, zeigt er damit seine Geringschätzung jener, die in diesen Gebäuden lehren und lernen müssen. Das führt zu Frustrationen. Die müssen sich nicht gleich in Erscheinungen zeigen, die man unter dem Begriff der Broken-Windows-Theorie zusammenfasst: Wenn erst einmal etwas kaputt ist und lange nicht repariert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass vorsätzlich weitere Schäden angerichtet werden.

Politik bedeutet in erster Linie das Sichkümmern um die Sorgen der Menschen. Bezahlbarer Wohnraum, Chancengleichheit bei Erziehung und Bildung, Sicherheit, das sind die Gebiete, auf denen sich Politiker profilieren können. Ein Blick nach Hamburg kann da hilfreich sein, nicht nur in Sachen Olympia.

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