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Politik: Berlusconi wird wieder angreifbar

Aufhebung der Immunität des italienischen Premiers durch Verfassungsgericht mit klarer Mehrheit  

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat eine unerwartet schwere Niederlage erlitten: Das Verfassungsgericht in Rom verwarf am Mittwoch Abend das Gesetz, mit dem sich Berlusconi als einziger italienische Spitzenpolitiker vor Strafverfolgung bewahren wollte. Das Gesetz war vor einem Jahr in Kraft getreten und erspart dem Regierungschef aktuell drei Prozesse wegen Bestechung von Justizorganen und wegen Steuervergehen; dabei geht es unter anderem um den Ankauf von Fernsehrechten durch Berlusconis Medienkonzern Fininvest und das Anlegen schwarzer Kassen im Ausland.

Berlusconis Staatssekretär bezeichnete die Entscheidung am Mittwoch Abend als „politisches Urteil"; die Regierung werde sich in ihrem Weg, den sie den Wählern 2008 versprochen habe, nicht beirren lassen und weitermachen.

Formell galt die nach dem Justizminister benannte „Lex Alfano" auch für die anderen drei höchsten Repräsentanten des Staates - den Staats- und die beiden Parlamentspräsidenten -, faktisch kam sie allein Berlusconi zugute. Dessen Verteidiger hatten vor den höchsten Gericht erklärt, es handele sich um keine Immunität, weil die Prozesse gegen den Ministerpräsidenten nicht beendet, sondern nur für die Dauer von dessen Amtszeit auf Eis gelegt worden seien.

Das Verfassungsgericht hebelte die „Lex Alfano" - mit der überraschend klaren Mehrheit von neun zu sechs Stimmen - aus gleich zwei Gründen aus. Zum einen verletze sie die grundlegende „Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz", zum anderen sei sie mit einem schweren Formfehler geboren: Berlusconi hatte die Regelung als einfaches Gesetz verabschieden lassen; die Richter hingegen sagen, er hätte dazu formell die Verfassung ändern müssen. Genau diese Klippe hat Berlusconi vor einem Jahr umschifft, weil er dafür nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zustande gebracht hätte und andernfalls eine Volksabstimmung hätte machen müssen, deren Ausgang unsicher gewesen gewesen.

Vor den Verfassungsrichtern hatten Berlusconis Anwälte, die gleichzeitig Parlamentarier sind, gefordert, der Regierungschef müsse mit Rücksicht auf sein umfassendes Amt anders behandelt werden als die restlichen Spitzenpolitiker; nur bei einer Befreiung von Strafprozessen könne er sich „mit voller Kraft seiner Regierungsaufgabe" widmen.

Wie es in Italien nun weitergeht, blieb am Mittwoch Abend offen. Der offizielle Rechtsvertreter des italienischen Staates, Glauco Nori, hatte vor einigen Tagen den Rücktritt Berlusconis ins Gespräch gebracht. Ein Rücktritt Berlusconis oder Neuwahlen sind aber weder zwingend noch sehr wahrscheinlich. Schon am Montagabend hatte der Medienmogul ärgerlich geschworen, er werde „auf jeden Fall bis zum Ende der Legislaturperiode regieren und dem Mandat der Wähler treubleiben“. Mindestens zwei Prozesse würden automatisch wiedereröffnet, sagte Franco Pavoncello, Politikprofessor an der John-Cabot-Universität in Rom. Dazu komme noch der Sex-Skandal. „Er war unangreifbar, und er wirdjetzt wieder angreifbar“, sagte er.

Daniele Capezzone, der Sprecher von Berlusconis Partei PDL, erklärte, Berlusconi werde sich den Verfassungsrichtern nicht unterwerfen: „Der einzige Richter, der entscheidet, wer regiert und wer in Opposition geht, sind die Wähler." Umberto Bossi, Regierungspartner Berlusconis und Chef der rechtsextremen Lega Nord, hatte das Verfassungsgericht während der Entscheidungsfindung sogar offen bedroht: „Die werden es nicht wagen, gegen den Zorn des Volkes zu entscheiden. Wir haben das Volk. Wir ziehen, wir schleppen es gegen diese Entscheidung auf die Straßen."

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