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Bert Rürup: "Verlässlichkeit sieht anders aus"

Der Wirtschaftsexperte Rürup kritisiert die "faktische Absage" der SPD an die Rente mit 67.

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Berlin - Die von der SPD-Spitze geforderte Aussetzung der Rente mit 67 steht weiter in der Kritik. Neben Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ging am Freitag der Rentenexperte Bert Rürup mit den Plänen ins Gericht. Rürup sagte dem Tagesspiegel, die Vorschläge seien „faktisch eine Absage an die Rente mit 67“. Er verwies auf die Forderung der SPD-Führung, die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters solange zu verschieben, bis die Hälfte der über 60-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. „Diese Zielquote dürfte ohne die Rente mit 67 nicht vor dem Jahr 2025 erreichbar sein. Wenn erst danach mit der Anhebung der Altersgrenze begonnen würde, wären die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge kaum mehr betroffen und ein wichtiger Effekt dieser Maßnahme würde verspielt.“

Rürup warf der SPD-Führung mangelnde Standhaftigkeit vor. Als Regierungspartei habe die SPD die Rente mit 67 für unverzichtbar gehalten, heute in der Opposition gelte dies offensichtlich nicht mehr, wenngleich sich die demografischen Bedingungen in den letzten drei Jahren definitiv nicht geändert hätten. „Politische Verlässlichkeit sieht anders aus.“ Im Übrigen sei die SPD-Führung bislang eine Aussage dazu schuldig geblieben, wer denn die Kosten aus der steigenden Lebenserwartung tragen solle.

Der Ökonom bezeichnet die im Jahr 2007 beschlossene Anhebung der Altersgrenze als wichtigen Baustein zur Zukunftssicherung der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie sei daher „unbedingt erforderlich“. „Ein Verzicht auf die Rente mit 67 kostet zudem die Deutschen Wohlstand“, sagte Rürup. „Weil die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in den nächsten Jahrzehnten sehr viel schneller sinkt als die Gesamtbevölkerung, muss die Lebensarbeitszeit erhöht werden, um den Rückgang der Zahl an produktiv Tätigen abzufedern.“ Ein Verzicht darauf hätte für mehrere Jahrzehnte jährliche Wachstumsverluste von bis zu 0,3 Prozent zur Folge.

Unterstützung erhielt SPD-Chef Sigmar Gabriel hingegen von der hessischen SPD. Als erster Landesvorsitzender, der dem linken Flügel der Partei angehört, lobte Thorsten Schäfer-Gümbel den Kompromiss als „guten Vorschlag, den ich unterstützen werde“. Die SPD nehme damit „die Überprüfungsregelung und uns selbst ernst, so wie es zugesagt wurde.“ Er bezog sich damit auf einen Passus im Gesetz zur Rente mit 67, wonach der Einstieg von der Arbeitsmarktsituation für Ältere abhängig gemacht werden soll. „Das Ergebnis bei 20 Prozent Beschäftigungsquote ist eindeutig“, fügte Schäfer-Gümbel hinzu.

Er zeigte sich außerdem offen für den Plan der Parteispitze, auf dem Parteitag Ende September nicht über die Rente mit 67 zu entscheiden. Stattdessen sollen die Vorschläge nach dem Willen der SPD-Spitze zunächst an der Basis diskutiert werden. Eine Kommission unter der Leitung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und ehemaligen SPD- Vorsitzenden Kurt Beck soll die Ergebnisse der Debatte aufnehmen. Schäfer-Gümbel sagte dazu, aus der eindeutigen Haltung der SPD-Spitze entstehe „die Chance, die entscheidenden Fragen zu Altersarmut und Lebensstandard, zu altersgerechten Arbeitsbedingungen sowie zu den Konsequenzen aus den Finanzspekulationen für die Kapitaldeckung mit den Mitgliedern intensiv zu beraten“. Andere Vertreter der SPD-Linken hatten in den letzten Tagen dagegen eine Entscheidung über die SPD-Rentenposition auf dem Parteitag verlangt. Sie streben eine grundlegende Abkehr von der Rente mit 67 an.

Schäfer-Gümbel appellierte überdies an die SPD-Bundestagsfraktion, bei der Überprüfung des Gesetzes den Beschlüssen der Parteiführung zu folgen und im Bundestag die Aussetzung der Rente mit 67 mit zu beantragen. „Das erwartet die ganze Partei.“

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