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Elternzeit hat für Mütter oft einen Karriereknick zur Folge. Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters

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Beruf und Familie: Suche nach einem neuen Businessplan

Politik und Wirtschaft diskutieren beim Gipfel in Berlin über die Vereinbarkeit von Job und Privatem. Die Arbeitswelt soll familienfreundlicher werden - und selbst die Bedingungen dafür schaffen.

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Die Arbeitswelt soll familienfreundlicher werden – möglichst aus eigenen Stücken und ohne staatliche Regulierung. Das wurde am Dienstag beim Familiengipfel deutlich, zu dem Wirtschaftsvertreter, Gewerkschafter, Wissenschaftler und Politik in der Hauptstadt zusammenkamen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will nun regelmäßig einen Bericht über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorlegen. Das Papier soll unter anderem Auskunft über die Entwicklung von Arbeitszeiten, Teilzeitangeboten und Kinderbetreuung geben. Die Voraussetzungen für familienfreundliche Arbeitsplätze zu schaffen, sei aber in erster Linie Aufgabe der Sozialpartner, sagte die Ministerin.

An einer Stelle will Schröder dann aber doch gesetzgeberisch aktiv werden: Sie forderte am Dienstag einen Rechtsanspruch auf die Rückkehr zu einer Vollzeitstelle, wenn Mitarbeiter aus familiären Gründen in Teilzeit gearbeitet haben. Diese sei immer noch eine Karrierebremse, die Frauen den Aufstieg im Beruf erschwere, sagte sie. Das müsse sich ändern. Junge Väter scheuten sich, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, weil sie den Karriereknick fürchteten, obwohl sie mehrheitlich den Wunsch hätten, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern, sagte die Ministerin.

Offenbar wirkt sich aber auch die von Schröder auf den Weg gebrachte Elternzeit vor allem bei Frauen nicht eben positiv aufs Berufsleben aus: In einer vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Elternumfrage bereuten es 38 Prozent der befragten Mütter, Elternzeit genommen zu haben, „aus Karrieregründen“. Warum genau mehr als ein Drittel der Frauen sich durch die familiäre Auszeit im Job eingeschränkt sah, hat das Ministerium nicht erforscht. Für die Untersuchung wurden 3923 Eltern zur Vereinbarkeit von Job und Familie befragt.

Die Studie zeigt, dass sich die meisten Unternehmen inzwischen darauf eingestellt haben, dass ihr Personal bei Bedarf Elternzeit in Anspruch nimmt. Wobei große Unternehmen offenbar beim Umgang mit familiären Auszeiten weniger Schwierigkeiten haben als Kleinbetriebe. Ähnlich sieht es bei einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung nach dem Wiedereinstieg aus. Während 83 Prozent der Befragten in ihrem Unternehmen Flexibilität gewährt wurde, war dies nur bei 68 Prozent der bei Kleinbetrieben Beschäftigten der Fall. Für eine geschmeidige Rückkehr ins Berufsleben ist laut Untersuchung der Kontakt zum Arbeitgeber während der Elternzeit entscheidend: Neun von zehn Befragten, die während ihrer Auszeit von ihrem Vorgesetzten über die Ereignisse im Betrieb auf dem Laufenden gehalten wurden, kamen nach der Auszeit zu ihrem Arbeitgeber zurück. Fast zwei Drittel der Befragten, die in regelmäßigem Kontakt zum Arbeitgeber standen, bekleideten nach ihrer Elternzeit die gleiche Position im Unternehmen wie zuvor.

Kanzlerin Merkel ermahnt die Arbeitgeber, nach familienfreundlichen Arbeitszeiten zu streben

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf dem Familiengipfel, Eltern müsse jederzeit die Rückkehr in den Beruf ermöglicht werden. Sie plädierte aber dafür, Familien die steuerliche Abrechnung haushaltsnaher Dienstleistungen bei der Kinderbetreuung und Pflege kranker oder älterer Angehöriger zu erleichtern. „Der Dienstleistungsstandort Deutschland kann noch ausgebaut werden“, sagte Merkel.

Im Zentrum sieht die Kanzlerin jedoch den Faktor Zeit. „Zeit ist das kostbarste Gut“, sagte Merkel, gerade für Familien, in denen sowohl Beruf als auch Pflege von Kindern oder älteren Familienmitgliedern geleistet werden müsse. Das wachsende Zeitbedürfnis der Familien kollidiere dabei meist mit den flexiblen Anforderungen der Unternehmen, etwa im Schichtbetrieb. Weil es auf diese Fragen jedoch keine einheitlichen Antworten gebe, mahnte Merkel Unternehmen, Kommunalverantwortliche und Dienstleister, vor Ort maßgeschneiderte Angebote zu suchen und zu organisieren. So könnten auch allein veränderte Fahrzeiten des regionalen Nahverkehrs einen Zeitgewinn für berufstätige Eltern bringen.

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen bemängelte auf dem Gipfel die fehlende Rücksicht auf die Lebenswirklichkeit von Familien. Ihr Vorsitzender Klaus Zeh erläuterte: „Was Familien vor allem brauchen, ist eine veränderte Unternehmenskultur, die familiäre Verantwortung nicht als Störfaktor, sondern als Bereicherung betrachtet.“ Für den Bundesvorstand der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler, liegt die familienpolitische Aufgabe der Zukunft in der Schaffung einer flächendeckenden Ganztagsbetreuung für Kita- und Schulkinder sowie flexiblen Arbeitszeitmodellen. Ähnlich äußerte sich die Caritas. „Nicht die Familien müssen arbeitsmarktgerechter, sondern der Arbeitsmarkt muss familiengerechter werden“, sagte Caritas-Präsident Peter Neher. (mit dpa)

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