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Politik: Besser streichen

Jürgen Rüttgers fordert mehr Augenmaß beim Abbau von Subventionen – und stellt sich damit gegen Roland Koch

Von Robert Birnbaum

„Streit“ – das Wort mag natürlich niemand. Darum sind im CDU-Präsidium alle sehr höflich miteinander gewesen. Trotzdem ist es alles andere als ein rein an der Sache orientierter Vorgang, dass CDU-Vize Jürgen Rüttgers dem Gremium am Montag einen Vorschlag zum Subventionsabbau über die vorzeigbare Summe von 50 Milliarden Euro in sechs Jahren bis 2010 vorgelegt hat. Rüttgers, Oppositionsführer in Düsseldorf, ist nämlich unversehens zum Gegenspieler seines hessischen Parteifreunds Roland Koch geworden. Koch verhandelt im Auftrag der Ministerpräsidenten-Konferenz derzeit mit dem nordrhein-westfälischen Regierungschef Peer Steinbrück (SPD) über ein Modell zum Abbau von Staatssubventionen – also mit genau dem Mann, den Rüttgers im Jahr 2005 ablösen möchte.

Die Kampflage ist klar, als Kampffeld muss der grüne Rasen herhalten. Unter dem Schlachtruf „Subventionsabbau mit dem Rasenmäher“ nämlich gehen Koch/Steinbrück zu Werk: Zehn Prozent weniger für alle Subventionsempfänger sei die einzig erfolgversprechende Methode, um der jahrzehntelangen Debatte über gerechte und ungerechtfertigte Staatsbeihilfen ein Ende zu setzen. Dem hält Rüttgers, um im Bild zu bleiben, als Werkzeug die Sense entgegen: Die Rasenmäher-Methode klinge logisch, werde aber in der Praxis scheitern – darum müsse schon gezielt geschnitten werden.

Dem hat im Präsidium im Grundsatz niemand widersprochen, in letzter Konsequenz nicht einmal Koch. Den Ost-Ministerpräsidenten zum Beispiel hat der Hesse konzediert, dass die speziellen Hilfen für den Aufbau der neuen Länder natürlich bleiben müssten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel wandte ein, Deutschland könne viele Beihilfen gar nicht zurückfahren, weil EU-Mittel in der Regel an die hälftige Ko-Finanzierung durch die Länder gebunden seien. Fraktionsvize Friedrich Merz und Generalsekretär Laurenz Meyer gaben zu bedenken, dass gut zwei Drittel aller Subventionen über Steuern verteilt werden. Da kann die Union aber allenfalls im Rahmen einer Steuerreform ran, will sie nicht ihrer bisherigen Linie untreu werden, dass sich auch indirekte Steuererhöhungen derzeit verbieten.

Alles Einwände, denen im CDU-Präsidium auch Koch nicht widersprach. Rüttgers’ Vorschlag mit Schwerpunkten auf dem Abbau der Kohlesubventionen und Teilen der Arbeitsmarkt-Politik sei eine „plausible Alternative“, zitieren Teilnehmer sogar den hessischen Ministerpräsidenten. Im Streit „Rasenmäher gegen Sense“ kann Rüttgers einen Punktsieg verbuchen.

Wie weit sein Konzept konkret zum Tragen kommt, ist eine andere Frage. Koch will sich bis zum Sommer mit Steinbrück einigen. Der Sozialdemokrat aber hat einem allzu massiven Abbau der Kohle-Subventionen nach Auslaufen des Kohlevertrags 2005 schon eine Absage erteilt. Erst recht dürfte ihm und seinem grünen Koalitionspartner Rüttgers’ Idee missfallen, die Kohlebeihilfen künftig mit denen für regenerative Energieträger wie Sonne und Wind zusammenzulegen – mit der Nebenfolge, dass die bislang wenig begrenzte Subventionierung der Windkraft stärker begrenzt würde.

„Nicht den Hauch einer Durchsetzungschance“, sagt Kochs Sprecher Dirk Metz voraus, werde so etwas bei der SPD haben. Mit der aber müsse sich die Union einigen, um im Bundesrat eine Mehrheit zustande zu bringen. Und diese Mehrheit sei notwendig, weil „wir jetzt etwas brauchen, was rasch umsetzbar ist und Geld in die Kassen bringt“. Gelingt das bis Herbst nicht, können etliche Länder ihren Haushalt 2004 nicht mehr verfassungsgemäß finanzieren. Die Folge wäre absehbar: Auch aus CDU-Kehlen erklänge notgedrungen der Ruf nach Steuererhöhung.

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