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Gesetzlich versichert oder privilegiert? Beim Blick auf seine Beitragssteigerungen verging schon manchem Privatpatienten das Lachen. Im kommenden Jahr allerdings fallen die Aufschläge moderat aus. Richtig teuer wird es nur für Neukunden. Foto: Philipp Guelland/dapd

© dapd

Politik: Bestandsschutz

Private Krankenversicherer heben die Beiträge für Altkunden kaum an – doch neue Verträge werden teuer.

Berlin - Die Alarmmeldungen sind schon auf dem Markt. Um bis zu 41 Prozent würden die Beiträge in der privaten Krankenversicherung (PKV) im kommenden Jahr steigen, prophezeite jüngst der „Spiegel“. Der PKV-Verband warf dem Magazin daraufhin eine „absurde Vermischung“ von Neukunden- und Bestandsgeschäft vor. Tatsächlich ist die Kluft zwischen beidem diesmal besonders groß – und die bereits Versicherten müssen wenig befürchten. Während die Konzerne bei den neuen Tarifen richtig zulangen, sind die Erhöhungen für Bestandskunden moderat wie seit Jahren nicht mehr.

Nach Recherchen des Tagesspiegels bleibt für jeden Dritten der neun Millionen Privatversicherten trotz Inflation alles beim Alten. Das hängt vor allem mit dem Branchenprimus Debeka zusammen. Der mit Abstand größte Versicherer verspricht nicht nur, die Beiträge aller 2,2 Millionen Mitglieder (mit Ausnahme von 15 000 Beamtenanwärtern) stabil zu halten. Für 100 000 ältere Versicherte will der Konzern die Preise sogar „leicht senken“.

Der Axa-Konzern gab seinen knapp 760 000 Krankenversicherten ebenfalls die Garantie, in den „Hauptverkaufstarifen“ nichts zu erhöhen. Aufs Ganze gerechnet werde die Anpassung für Bestandskunden zwei Prozent betragen, sagte eine Sprecherin. Für die 500 000 Mitglieder der Signal Krankenversicherung verteuert sich nur ein einziger Tarif, im Schnitt beträgt die Steigerung damit 0,2 Prozent. Die 100 000 Bestandskunden beim Deutschen Ring erwartet ein Aufschlag von 1,1 Prozent, die 700 000 Mitglieder der Allianz von durchschnittlich drei Prozent.

Offen ist die Sache noch für die 900 000 Versicherten des Branchenzweiten DKV, da die Beiträge dort neuerdings erst zum April angepasst werden. Und die Kölner Central, zuletzt wegen drastischer Erhöhungen auch von Verbraucherschützern heftig kritisiert, will sich diesmal zwar bei den Beiträgen ihrer 510 000 Mitglieder mäßigen. Allerdings erhöht sie dafür in etlichen Tarifen den Selbstbehalt – in der Spitze um fast 17 Prozent.

Für Neukunden, die nach dem 21. Dezember nur noch sogenannte UnisexTarife abschließen können, wird der Privatschutz dagegen deutlich teurer. Das gilt vor allem für Männer, deren Beiträge aufgrund der neuen geschlechtsneutralen Kalkulation dann im Schnitt um gut 20 Prozent höher liegen. Was bedeutet, dass manche Neukalkulation auch schon mal 30 bis 40 Prozent teurer ausfallen kann.

Selbst für Frauen, denen künftig geschlechtsspezifische Aufschläge erspart bleiben, werde es in den Neutarifen kaum günstiger, gibt PKV-Sprecher Stefan Reker zu. Zum einen müssten die Konzerne „Finanzpuffer“ einbauen, weil keiner wisse, wie viele tatsächlich in Unisex-Tarife wechseln. Und etliche Versicherer nutzten die Änderungen auch, um ihren Versicherungsschutz nachzubessern. Bei manchen Leistungen, etwa der Finanzierung von Psychotherapie, Entziehungskuren oder medizinischen Hilfsmitteln, klaffen bei vielen nämlich peinliche und auch den Gesetzgeber beunruhigende Lücken.

Ohnehin werden die Zeiten für die Privatanbieter härter. Die gesetzlichen Versicherer schwimmen im Geld. Statt Beiträge zu erhöhen, zahlen sie Prämien zurück. Und die Politik nimmt den Kassenpatienten nun auch das Ärgernis der Praxisgebühr. Die Privatversicherer dagegen leiden, da sie kaum über Kostenbremsen verfügen, unter ständig steigenden Ausgaben – und zudem unter der anhaltenden Niedrigzinsphase. Schließlich müssen sie das wachsende Krankheitsrisiko ihrer älter werdenden Klientel durch Rückstellungen auf dem Kapitalmarkt abfangen. Derzeit haben sie dort fast 170 Milliarden Euro liegen. Doch dieses Geld arbeitet immer schlechter. Mit Neuanlagen ist die bisherige Kalkulationsgrundlage von 3,5 Prozent nicht mehr ansatzweise zu erreichen. DKV, Debeka und Central haben den Rechnungszins bereits auf 2,75 Prozent heruntergefahren – was ihre Tarife entsprechend verteuert.

Und unattraktiver macht. Nach Jahren verlässlichen Zuwachses ging die Zahl der Privatversicherten im ersten Halbjahr 2012 erstmals leicht zurück. Die gestiegene Attraktivität der gesetzlichen Kassen und die Preisaufschläge für neue Privatpolicen werden diesen Trend verstärken. Wenn aber das Neugeschäft nachlässt, wird es irgendwann auch für die Bestandskunden teurer. Die momentane Zurückhaltung der Versicherer mit Beitragserhöhungen könnte von kurzer Dauer sein.

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