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Backe, backe Kuchen. Die CSU will mit dem Betreuungsgeld Mütter belohnen, die bei ihren Kindern zu Hause bleiben – wie vor Jahrzehnten üblich. CDU-Ministerin Kristina Schröder möchte aber nicht, dass das Geld einen Anreiz gibt, einen Beruf aufzugeben.

© Keystone / Keystone Pressedienst

Betreuungsgeld: Neuer Streit um alte Beschlüsse

Die FDP stellt die Einigung zum Betreuungsgeld infrage, die Union streitet darüber, wer es überhaupt bekommen soll.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Wenige Tage nach dem Beschluss des Koalitionsgipfels zur Einführung eines Betreuungsgeldes wird diese Entscheidung aus der FDP heraus offen infrage gestellt. Die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Sibylle Laurischk (FDP), nannte das Vorhaben am Dienstag „nicht überzeugend“. Ein Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in Kitas betreuen lassen, sei „verfassungsrechtlich fragwürdig“, sagte Laurischk dem Tagesspiegel. Die Abgeordnete verwies auf eine Expertenanhörung des Ausschusses im Juni. Die Frankfurter Rechtswissenschaftlerin Ute Sacksofsky hatte vor dem Gremium gewarnt, mit dem Betreuungsgeld eine Art Entschädigung für die Nicht-Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung zu gewähren.

Die neue Leistung sei aber auch im Hinblick auf die Kinder zu hinterfragen, sagte Laurischk. Für die Zukunft der Gesellschaft sei das Angebot an Bildungsmöglichkeiten entscheidend. Der Staat solle jeden Anreiz vermeiden, Bildungsangebote nicht in Anspruch zu nehmen.

Die Liberalen hatten das Betreuungsgeld bislang strikt abgelehnt. Generalsekretär Christian Lindner verteidigte die Zustimmung am Montag mit Verweis auf den Koalitionsvertrag und verlangte, „andere Sozialleistungen“ mit dem Betreuungsgeld zu verrechnen. Ob die Union diese Bedingung erfüllen will und kann, ist allerdings völlig offen. Experten verweisen darauf, dass nur existenzsichernde Leistungen miteinander verrechnet werden können. Das Betreuungsgeld wird aber bislang als eine Art staatlicher Anerkennungsleistung begründet.

Jeder Hinweis auf die Ausgestaltung der Leistung wurde in dem vagen Beschluss vom Sonntag vermieden. Verabredet wurde lediglich, von 2013 an 100 Euro monatlich für Kinder im zweiten Lebensjahr und von 2014 an 150 Euro monatlich für Kinder von zwei und drei Jahren zu zahlen. Dabei birgt gerade die Frage nach dem Empfängerkreis Konfliktpotenzial. Die CSU, auf deren Drängen der Beschluss zustande kam, will Mütter belohnen, die nicht arbeiten. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte vor dem Beschluss vom Sonntag vorgeschlagen, das Geld auch an teilzeitbeschäftigte Eltern zu zahlen. Dies sollte verhindern, dass die neue Leistung einen Anreiz für Mütter schafft, ihre Berufstätigkeit aufzugeben.

Zu den Erwartungen der Union an die Ausgestaltung der Leistung sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Peter Altmaier (CDU), das Geld solle an alle gezahlt werden, die die Kinderbetreuung außerhalb einer staatlichen Kita „selbst organisieren“. Das gelte ausdrücklich auch für berufstätige Mütter oder Väter. Abgrenzungsmerkmal für den Anspruch auf Betreuungsgeld sei die „Frage der staatlichen Förderung“ der Betreuungseinrichtung. Weil die Leistung damit auch Berufstätigen zugute komme und nicht bloß Vollzeit-Müttern und -Vätern, habe er diesem Kompromiss zustimmen können: „Andernfalls hätte man das Betreuungsgeld als Herdprämie diffamieren können.“

Nachfragen, wie der Bund denn mit Mischfinanzierungen von Betreuungsangeboten umgehen wolle, also etwa staatlich geförderte Privatkitas oder Tagesmütter, verwies der CDU-Politiker an die Fachpolitiker der Koalition. Keine Aussage könne er auch darüber machen, welche finanziellen Auswirkungen diese neue Abgrenzung habe.

Während die Koalition eine neue Familienleistung verspricht, müssen möglicherweise Zehntausende von Familien auch im Jahr 2013 noch auf Betreuungsplätze warten. Bund und Länder hatten beim sogenannten Krippengipfel 2007 verabredet, bis zu diesem Datum für 750 000 Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz bereitzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen noch mehr als 230 000 Plätze geschaffen werden. Von 2013 an gilt ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz mit Vollendung des ersten Lebensjahres.

Nach den am Dienstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes werden viele alte Bundesländer das Ziel verfehlen. Die Zahl der Kleinkinder in Tagesbetreuung ist bis März 2011 gegenüber dem Vorjahr zwar um rund 45 000 auf 517 000 Kinder gestiegen. Der Ausbau hat sich aber stark verlangsamt, so dass die verabredete Quote von 35 Prozent im Westen verfehlt würde.

Bundesfamilienministerin Schröder forderte die Länder zu einem schnelleren Ausbau auf. Sie riefen Bundesmittel nur teilweise ab und investierten zu wenig eigene Mittel, kritisierte sie: „Das Bundesgeld ist da, und die Zeit drängt.“

Dagegen sagte die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, „einseitige Schuldzuweisungen“ Schröders an die Adresse der Länder seien unangebracht. Die SPD und der Städte- und Gemeindebund forderten einen neuen „Krippengipfel“, um den Stand des Kita-Ausbaus zu überprüfen und Druck zugunsten des versprochenen Ausbaus zu entfalten. Die Städte fürchten eine Flut von Klagen enttäuschter Eltern, die auf diesem Weg einen Betreuungsplatz erkämpfen wollen. Vorschläge, auf den Rechtsanspruch schon vom Jahr 2013 an zu verzichten, wies Ministerin Schröder zurück. „Am Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz werde ich nicht rütteln, der Druck muss im Kessel bleiben“, sagte sie.

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