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© dpa

"Bewaffneter Konflikt": Westerwelles Worte können rechtliche Konsequenzen haben

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan als „bewaffneten Konflikt“ bezeichnet. Welche Rolle spielt das im Zusammenhang mit dem Verhalten von Oberst Klein?

Die Bundesregierung treibt die völkerrechtliche Neubewertung des Afghanistankonflikts als Bürgerkrieg voran. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wertete die Lage am Hindukusch am Mittwoch im Bundestag als „bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts“. Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) äußerte sich bereits ähnlich. Sonst war von „Stabilisierungsmaßnahmen“ die Rede.

Die veränderte Tonlage kann rechtliche Konsequenzen haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg löste der Begriff „bewaffneter Konflikt“ im Völkerrecht den Begriff „Krieg“ weitgehend ab. Nach dem humanitären Völkerrecht findet ein internationaler bewaffneter Konflikt zwischen zwei oder mehr Staaten statt, die dabei an bestimmte Regeln gebunden sind. Mit Blick auf Afghanistan spricht die Bundesregierung aber von einem „nichtinternationalen bewaffneten Konflikt“. Gegner seien nicht Staaten, sondern bewaffnete Aufständische – ein Bürgerkrieg also. Dass die internationale Staatengemeinschaft mit Hilfe der Isaf-Truppe die Regierung unterstützt, ändert demnach nichts am nichtinternationalen Charakter des Konflikts. Begründet wird die Neubewertung, die sich auf aktuelle Lageberichte der Bundeswehr stützt, mit dem massiven bewaffneten Vorgehen sowie der militärischen Organisation der Aufständischen.

Rechtlich gelten in einem „bewaffneten Konflikt“ andere Regeln als in Friedenszeiten. Zum einen ergibt sich daraus die Möglichkeit, Kriegsverbrechen nach den Bestimmungen des Völkerrechts zu bestrafen, in Deutschland nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB). Auf der anderen Seite kann aber Gewaltanwendung juristisch auch leichter gerechtfertigt werden. Während normalerweise Gewalt wie beispielsweise im Polizeirecht nur als äußerstes Mittel zulässig ist, etwa zur Abwehr einer konkreten Bedrohung, spielen im „bewaffneten Konflikt“ die militärische Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer bestimmten Vorgehensweise eine größere Rolle. Gezielte Angriffe auf Aufständische, um diese zu töten, sind dann zulässig, sofern Grundsätze der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.

Mit Blick auf den Vorfall in Kundus könnte dies bedeuten, dass weniger die ursprüngliche Begründung einer Bedrohung für das nahegelegene deutsche Feldlager zu bewerten wäre, an der es Zweifel gibt; entscheidend wäre vielmehr, ob es unter militärischen Gesichtspunkten erkennbar unverhältnismäßig war, auch den Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen. Dies könnte Georg Klein entlasten.

Über die Frage, ob in Afghanistan ein „bewaffneter Konflikt“ vorliegt, entscheidet allerdings nicht die Bundesregierung, sondern die Justiz. Die Bundesanwaltschaft prüft derzeit auf Bitten der Staatsanwaltschaft Dresden im Verfahren gegen Klein, ob die Situation in Afghanistan als Bürgerkrieg zu bewerten ist. Entscheiden müsste dann das zuständige Gericht, letztlich wohl der Bundesgerichtshof.

Debattiert wurde im Bundestag auch das neue Mandat – und dabei warb Westerwelle um Zustimmung. In der Vorlage der Regierung finde der Bundestag „vieles“ wieder, was auf Anregungen aus seinen Reihen zurückgehe. Der FDP-Politiker hob die geplante Aufstockung der zivilen Hilfsmittel hervor. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier räumte ein, dass sich der Einsatz in Afghanistan als schwieriger erwiesen habe als von der rot-grünen Regierung 2001 erwartet. Auch die ursprünglichen Ziele seien „vielleicht zu hoch gesteckt“ gewesen. Er deutete erneut an, dass die SPD dem neuen Mandat mit einer Aufstockung um 500 Soldaten zustimmen könnte, warnte aber die Regierung vor „Tricksereien“. Die auf 350 Mann bezifferte Reserve für Sondersituationen dürfe auf keinen Fall dauerhaft zum Einsatz kommen. Grüne und Linke bekräftigten, dass sie das neue Mandat nicht mittragen. bib/AFP

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