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Politik: Bewegung, aber kein Durchbruch

BONN .Die diplomatischen Bemühungen um Frieden im und für das Kosovo laufen auf Hochtouren - aber weiter ohne greifbare Ergebnisse.

Von Robert Birnbaum

BONN .Die diplomatischen Bemühungen um Frieden im und für das Kosovo laufen auf Hochtouren - aber weiter ohne greifbare Ergebnisse.Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der russische Sonderbeauftragte Viktor Tschernomyrdin sahen am Donnerstag in Bonn nach einem eineinhalbstündigen Treffen übereinstimmend "Bewegung".Aber, fügte Tschernomyrdin hinzu: "Keinen Durchbruch." An welchen Punkten diese Bewegung stattgefunden hat, war beiden Politikern nicht zu entlocken.Tschernomyrdin hatte vor dem Abflug angekündigt, er habe "neue Vorschläge" im Gepäck, die mit Präsident Boris Jelzin abgestimmt seien.Was das für Vorschläge sind, blieb aber zunächst ebenfalls sein Geheimnis.

Deutlich geworden ist hingegen noch einmal, an welchen Punkten Moskau und der Westen auseinander sind.Tschernomyrdin nannte als "Hauptziel", daß "auf die Köpfe der Menschen keine Bomben und Raketen" mehr niedergehen dürften.Er stimme aber auch der Auffassung zu, daß alles unternommen werden müsse, damit die Flüchtlinge in ihre Häuser zurückkehren könnten."Wir glauben, daß Belgrad sich in dieser Hinsicht bewegt", sagte der frühere russische Regierungschef.Hoffnungsvoll stimme ihn auch, daß die Führung in Belgrad einer internationalen Präsenz unter dem Dach der UN und mit Beteiligung Rußlands zustimme."Alles auf dem Balkan muß unter Führung der UN getan werden", hatte Tschernomyrdin vor dem Abflug in Moskau nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärt, der dort im Lauf des Tages auch mit Jelzin sprach.

Allein die Reihenfolge, in der Tschernomyrdin diese Schritte aufzählte, legt nahe, daß Rußland von der NATO weiter eine Feuerpause erwartet.Schröder bekräftigte hingegen die - von ihm zu drei Punkten zusammengefaßten - fünf Kernbedingungen der NATO: Ein Ende des Mordens und der Vertreibung, Rückkehr der Flüchtlinge unter dem Schutz einer internationalen Truppe, deren "Kern" die NATO stellen müsse, sowie den Abzug aller jugoslawischen Einheiten samt der bewaffneten Milizen und der Sonderpolizei.Erst wenn dieser Abzug nachprüfbar beginne, mache es Sinn, über eine Aussetzung der Bombardements nachzudenken.

Ungeachtet solcher Differenzen lobte Schröder ausdrücklich das russische Engagement.Er glaube, daß die Bemühungen Rußlands und des UN-Generalsekretärs Kofi Annan "Bewegung in Richtung auf eine politische Lösung" brächten."Wir setzen darauf", betonte der Kanzler.Schließlich, so Schröder, wisse die Bundesregierung, daß dauerhafter Frieden in der Region nur mit Beteiligung Rußlands möglich sei.Auch der deutsche Wunsch, die UN und den Sicherheitsrat verstärkt einzubinden, sei ohne Rußland nicht zu verwirklichen.Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), der am Mittwoch in Moskau war, lobte ebenfalls die Ernsthaftigkeit der russischen Seite, blieb in der Substanz aber äußerst zurückhaltend: Er sehe "sehr vorsichtig zu bewertende Ansätze" dafür, daß sich der politische Prozeß in die richtige Richtung entwickle.Tschernomyrdin versicherte seinerseits, Rußland werde seine Vermittlerrolle sehr gewissenhaft erfüllen.

Tschernomyrdin wollte am Abend nach Belgrad weiterreisen - sein zweiter Besuch bei Präsident Slobodan Milosevic, nachdem die NATO das, was der russische Beauftragte vorige Woche aus Belgrad mitgebracht hatte, als nicht ausreichend bewertet hatte.Anschließend wird Tschernomyrdin in Paris und London erwartet.

Der dritte Gesprächsfaden verläuft derzeit zwischen den USA und Rußland.Der Sonderbotschafter von US-Präsident Bill Clinton, Vizeaußenminister Strobe Talbott, war in Moskau und unterrichtete am Donnerstag in Brüssel den NATO-Rat und NATO-Generalsekretär Javier Solana.Optimismus mochte auch der Rußland-Kenner Talbott nicht verbreiten: "Ich bin realistisch." Auch er machte deutlich, daß der Westen sich seine Minimalbedingungen für ein Ende des Krieges nicht abhandeln lassen will: "Wenn der Konflikt endet, dann zu den Bedingungen der NATO", sagte er.Das bedeute auch NATO-Truppen zur Sicherung der Rückkehr der vertriebenen Kosovo-Albaner.

Aus Belgrad war am Donnerstag nichts zum Thema politische Lösung zu vernehmen.Eher im Gegenteil: Die jugoslawische Regierung legte beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage gegen zehn NATO-Staaten ein.Die Bombardements verstießen gegen internationales Recht und müßten sofort aufhören.Als kaum ernstzunehmen werten westliche Diplomaten eine Meldung aus Libyen, der jugoslawische Vize-Regierungschef Zoran Lilic habe bei einem Besuch in Tripolis am Wochenende die Bereitschaft erkennen lassen, in einer Friedenstruppe auch NATO-Truppen zu akzeptieren.Dies erscheint umso unglaubwürdiger, als am gleichen Tag Milosevics Bruder und Moskau-Botschafter Borislaw noch einmal das genaue Gegenteil verkündete.

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