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Politik: Biedenkopf-Affäre: Ein wenig zu viel, ein bisschen zu wenig

Die sächsische Staatskanzlei hat genau nachgerechnet in der "Staatsputzfrauenaffäre" von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU). Das Ergebnis dürfte die Verwirrung nicht veringern: Kurt Biedenkopf hat für seine Wohnung im staatlichen Gästehaus nicht etwa zu wenig, sondern sogar zu viel Miete bezahlt.

Die sächsische Staatskanzlei hat genau nachgerechnet in der "Staatsputzfrauenaffäre" von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU). Das Ergebnis dürfte die Verwirrung nicht veringern: Kurt Biedenkopf hat für seine Wohnung im staatlichen Gästehaus nicht etwa zu wenig, sondern sogar zu viel Miete bezahlt. Exakt 13 802,97 Mark, einschließlich Betriebskostenpauschale. Und zwar wegen falscher Berechnung der Wohnungsgröße (130 Quadratmeter statt 155). So weit der öffentlich bestellte Mietengutachter. Der kam sogar zu dem Ergebnis, dass die Räume Biedenkopfs bis 1997 der Mietpreisbindung unterlegen hätten. Danach hätte Biedenkopf sogar 45 000 Mark zu viel als geldwerten Vorteil ans Finanzamt abgeführt hat. Weil aber ein juristischer Gutachter zu einem anderen Ergebnis kam, will Biedenkopf diesen Vorteil nicht nutzen. Nachzahlen muss er trotzdem: 700 Mark an geldwertem Vorteil pro Jahr wegen rein privater Nutzung der Fahrbereitschaft durch seine Gattin, 15 800 Mark insgesamt wegen des privaten Einsatzes von Staatspersonal im Privathaus am Chiemsee.

So weit das Gutachten, das am Mittwoch in Dresden vorgestellt wurde und einen Streit entschärfen soll, der sich in den vergangenen Wochen - Biedenkopf weilte zu einem Besuch in den USA und schwieg - verschärft hatte. Es ist Teil des Nachfolgestreits innerhalb der CDU, den die Opposition weidlich zu nutzen sucht. Mit Wirkung: Selbst in Kreisen der sächsischen CDU und der Staatsregierung wird ein rascher Rücktritt Biedenkopfs nicht mehr ausgeschlossen. Die Veröffentlichung immer neuer tatsächlicher oder vermeintlicher Details über die Lebensführung insbesondere von Ingrid Biedenkopf, der 70-jährigen Gattin des Ministerpräsidenten, haben die Spekulationen genährt. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle wollte sogar Hinweise dafür haben, dass Ingrid Biedenkopf Anfang Mai 1995 die Hubschrauberstaffel der Polizei zu privaten Zwecken, genutzt hat. Ergebnis des Gutachtens: Keine Privatflüge.

Wegen der Vorwürfe in der zunehmend abstrusen Angelegenheit wird offenbar an Szenarien gearbeitet, die Sachsens Ministerpräsident einen Rücktritt erleichtern sollen. Demnach ist vorgesehen, dass eines der jüngeren Kabinettsmitglieder die Nachfolge antreten soll. Ex-Finanzminister Georg Milbradt (CDU), den Biedenkopf als Nachfolger verhindern will, soll mit einem Bundestagsmandat abgefunden werden. Gemeinsame Auftritte der sechs jüngeren Minister im laufenden Kommunalwahlkampf stützen derartige Berichte.

Zudem haben sich in der vergangenen Woche 16 der sächsischen 27 CDU-Kreisverbände in einer Erklärung demonstrativ hinter Biedenkopf gestellt und zugleich Kritik an der "in den eigenen Reihen initiierten Nachfolgediskussion" geübt. Allerdings haben immerhin elf Kreisverbände, die Milbradt nahe stehen, eine Unterzeichnung der Erklärung abgelehnt. Partei- und Fraktionschef Fritz Hähle (CDU) hatte deshalb von einer Spaltung der Partei gesprochen.

Ralf Hübner

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