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Politik: Biedenkopf nennt Sozialpartnerschaft Romantik

Bitburg - Der frühere sächsische Regierungschef Kurt Biedenkopf hält den Sozialstaat in seiner jetzigen Form für „nicht zukunftsfähig“. Bei den 46.

Von Michael Schmidt

Bitburg - Der frühere sächsische Regierungschef Kurt Biedenkopf hält den Sozialstaat in seiner jetzigen Form für „nicht zukunftsfähig“. Bei den 46. Bitburger Gesprächen der Stiftung für Rechtspolitik in Biersdorf am See stellte der CDU-Politiker zudem die Sozialpartnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Basis des sozialen Friedens in Deutschland infrage: „Was für eine Sozialromantik“. Immer mehr Unternehmen träten aus der Tarifgemeinschaft aus, der Flächentarif sei längst überholt. Das Soziale müsse „neu gedacht werden, wenn unseren Enkeln das Leben in Deutschland lebenswert erscheinen soll“, sagte er in seinem Vortrag zum Thema „Was bedeutet soziale Gerechtigkeit unter den Bedingungen der Globalisierung?“.

Das Sozialsystem leide unter einem Geburtsfehler: seiner fehlenden Begrenzung. Statt sich als Staat auf eine Grundsicherung zu beschränken, sei Sozialpolitik am Beginn der Bundesrepublik eingeführt worden, „um breite Schichten mit der neuen Ordnung zu versöhnen“. In den 50ern lag der Anteil der Sozialausgaben in Deutschland bei 16 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), sagte Biedenkopf. Heute liege er bei 34 Prozent eines fünfmal so großen BIP – und habe sich mithin verzehnfacht. „Das ist umso erstaunlicher, als der Lebensstandard inzwischen auch fünfmal so hoch ist.“

Drei Entwicklungen seien dafür verantwortlich. Erstens die tiefgreifende Veränderung der Arbeitsmärkte. Das deutsche Sozialsystem basiere auf der Vorstellung einer lebenslangen Vollzeitbeschäftigung. „Das war einmal real“, sagte Biedenkopf, „heute ist es fiktiv.“ Zweitens: Eine zunehmend wissens- und kapitalbasierte Wirtschaft mache menschliche Arbeit zur Wertschöpfung überflüssig. Und drittens: Ein dramatischer Geburtenrückgang verschärfe die Problematik von immer weniger Beitragszahlern für immer mehr Leistungsempfänger. Die Forderung der Stunde sei mithin: mehr Eigenverantwortung des Einzelnen. Alleirdings sagte Biedenkopf: „Laut Umfragen empfindet sich die überwältigende Mehrheit der Deutschen als kleine Leute, die von Vater Staat Hilfe zu erwarten haben.“ Dass das nicht mehr möglich sei, zumal in der globalisierten Welt „andere mobiler sind, für weniger Geld arbeiten“ und dem national ausgerichteten Sozialsystem mit der internationalisierten Wirtschaft zunehmend die Basis abhanden komme – „den Menschen das zu erklären ist die vornehmste Aufgabe der Gegenwart“.

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