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Politik: Bindungsängste

Kohls Ansehen in der Türkei ist hoch. Jetzt kommt Merkel – und muss erklären, warum sie einen EU-Beitritt ablehnt

Es war ein Moment, der die Herzen der Türken erwärmte. Als Helmut Kohl bei der Hochzeit seines Sohnes mit einer Türkin vor drei Jahren einräumte, während seiner Kanzlerschaft in der Türkeipolitik Fehler gemacht zu haben, glaubten die Türken, auch die CDU freunde sich allmählich mit dem Gedanken einer EU-Mitgliedschaft Ankaras an. Immerhin gab Kohl damals zu, den Türken mit Vorurteilen begegnet zu sein – was falsch gewesen sei. Zur Frage des EU-Beitritts hat sich der Altkanzler freilich nie eindeutig geäußert, sondern stets auf die Aufnahmekriterien der EU verwiesen. Dennoch hoffte die Türkei auf einen Kurswechsel bei der CDU. Bei ihrem Besuch in Ankara und Istanbul wird Parteichefin Angela Merkel ab Sonntag erklären müssen, warum die Union der Türkei immer noch sehr skeptisch gegenübersteht. Die türkische Regierungpartei AKP, die sich als mit der CDU wesensverwandte konservative Partei sieht, setzt alles daran, die Union umzustimmen.

Damit rennt die Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei einigen prominenten CDU-Politikern offene Türen ein. So plädiert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Volker Rühe, dafür, der Türkei eine EU-Beitrittsperspektive zu geben, wenn sie die Kopenhagener Kriterien erfülle. In einem Interview gab er seiner Parteichefin die Forderung mit auf den Weg, bei ihren Gesprächen zumindest eines klarzustellen: dass die CDU eine Entscheidung der EU für Beitrittsgespräche akzeptieren würde.

Erdogan wird von seinen Gästen aus Deutschland – Merkel wird unter anderem vom CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble begleitet – eine solche Zusage freilich nicht bekommen. Merkel favorisiert eine „privilegierte Partnerschaft“ zwischen Europa und der Türkei, die eine türkische Vollmitgliedschaft jedenfalls vorerst ausschließt. Die Türkei mag sich nicht auf eine solche „Mitgliedschaft light“ einlassen. Schließlich hat die Regierung Erdogan ihr Reformprogramm in den letzten Monaten auch gegen Widerstände durchgesetzt.

Merkels zentrales Argument gegen eine Vollmitgliedschaft dreht die bisher so wichtige Frage, ob die Türkei reif ist für die EU, einfach um: Merkel bezweifelt, dass die auf 25 Mitglieder erweiterte EU reif ist zur Aufnahme noch eines derart großen, aber auch so armen Landes wie der Türkei. Erdogan wird bei seinem Gespräch mit der CDU-Delegation auf die strategische Bedeutung der Türkei für Europa hinweisen und außerdem bekräftigen, dass die Religion kein Kriterium für den EU-Beitritt sein dürfe.

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