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Biosprit: Antriebsarm

Bei der Einführung des E10-Benzins gibt es massive Probleme Wer hat Schuld an dem Chaos?

Wenn es ums Auto geht, verstehen viele Deutsche keinen Spaß. Einen Treibstoff zu tanken, den etwa zehn Prozent der Fahrzeuge womöglich nicht vertragen, kommt für 70 Prozent aller Fahrer derzeit nicht infrage. So viel Boykott war nie an der Tankstelle, und das, obwohl er für die Verbraucher kostspielig ist.

Wie ist es zum gegenwärtigen Chaos um den Kraftstoff E10 gekommen?

Die große Koalition hat sich 2005 von der Biokraftstoffstrategie ihrer rot-grünen Vorgängerregierung verabschiedet. Auch Rot-Grün wollte Agrartreibstoffe im Verkehr einsetzen. Allerdings setzten SPD und Grüne 2003 auf Bio-Reinkraftstoffe, also 100 Prozent Pflanzenöl für Dieselmotoren und E 85, das einen Ethanolanteil von 85 Prozent hat, für Otto- Motoren. Um die neuen Kraftstoffe einzuführen, erließ die damalige Regierung eine Steuerbefreiung. Die große Koalition schwenkte dann von 2008 an auf eine neue Strategie ein: den Beimischungszwang von Biokraftstoffen. Der Markt für den Pflanzenreinkraftstoff brach zusammen, weil gleichzeitig die Besteuerung dieser Treibstoffe begann.

Die Einführung von E5 mit einem fünfprozentigen Ethanolanteil aus Weizen, Mais und Zuckerrüben verlief ziemlich geräuschlos, ebenso die Beimischung von etwas mehr als sieben Prozent Pflanzenölen zum Diesel. Doch 2008 sollte E10 schon einmal eingeführt werden. Damals schlug die Autoindustrie Alarm. Sigmar Gabriel blies den Versuch am 4. April 2008 ab und sagte: „Die Umweltpolitik wird nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass Millionen von Autofahrern an die teuren Super-Plus-Zapfsäulen getrieben werden.“ In der Folge senkte die Regierung die Beimischungsquote, kündigte aber für den 1. Januar 2011 erneut die Einführung von E10. Daran änderte sich auch nach dem Regierungswechsel nichts.

Wer ist in Deutschland für die Einführung von E10 zuständig?

In der Regierung ist Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) für den Biotreibstoff zuständig. Für die tatsächliche Einführung ist jedoch die Mineralölwirtschaft verantwortlich. Und die Branche hat 2005 auch massiv die Beimischungsquote gefordert, um die freien Tankstellen zu schwächen und die lästige Konkurrenz auf den Höfen loszuwerden. Josef Göppel, Umweltexperte der CSU im Bundestag, sagt über das Einführungschaos: „Ich halte das für einen üblen Trick der Autoindustrie.“ Denn schließlich sei die Beimischungsquote von der deutschen Regierung in Brüssel vor allem deshalb durchgesetzt worden, um der Autoindustrie schärfere Grenzwerte für den Kohlendioxidausstoß zu ersparen. Das hatte Sigmar Gabriel 2008 schon freimütig zugegeben. In der schon zitierten Pressemitteilung hieß es: „Eine erhöhte Beimischung sollte der Autoindustrie den Schritt von 130 Gramm CO2 pro Kilometer auf 120 Gramm bis 2012 kostengünstiger ermöglichen, als es durch ausschließlich technologische Schritte in der Motoren- und Fahrzeugtechnik möglich ist.“

Hat die Kommunikationsstrategie bei der E10-Einführung versagt?

ADAC-Sprecher Andreas Hölzel sagte dem Tagesspiegel, die Menschen seien „massiv verunsichert“. Viele hätten sich nicht getraut zu entscheiden, was sie tanken wollten. Hölzel sieht darin „das zwangsläufige Ergebnis der verfehlten Strategie der Mineralölkonzerne. Es wurde versäumt, die Autofahrer umfassend aufzuklären und ihnen Hilfe bei der Entscheidung anzubieten.“ Die Politik sieht Hölzel dabei nicht in der Verantwortung. Sie habe nur das Gesetz beschlossen. Verantwortlich seien die Konzerne gewesen. Sie seien lange genug informiert gewesen, hätten die Logistik geschaffen und den Biosprit eingeführt.

Das sieht der Berliner Professor Lutz Mez vom Forschungszentrum Umweltpolitik der Freien Universität anders. „Der Staat hat die Informationen über die Kfz-Steuer.“ Auch staatliche Stellen hätten früher anfangen können, über E10 zu informieren, findet er. Sich auf den Standpunkt zu stellen, dass nach der Abwrackprämie wohl kaum noch alte Autos auf den Straßen wären, die den neuen Sprit womöglich nicht mehr vertragen, findet Mez ziemlich fahrlässig.

Welche Strategie verfolgt die Mineralölwirtschaft?

Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) hält eine Rücknahme von E10 zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr für sinnvoll. Zu viele Investitionen seien getätigt worden, „wir müssen das jetzt durchbringen“, sagte Sprecherin Karin Retzlaff. Der Verband begrüßt den Energie-Gipfel, zu dem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für Dienstag eingeladen hat.

Für die Mineralölwirtschaft mag die Umstellung auf den neuen Kraftstoff nicht die höchste Priorität gehabt haben. Sie ist insofern fein raus, als sie die Kosten immer an die Verbraucher weitergeben kann. Der MWV wehrte sich am Freitag jedoch entschieden gegen Vorwürfe, die Einführung von E10 zu sabotieren. Zwar sei man ursprünglich gegen eine Einführung von Biokraftstoff in diesem Stadium gewesen, „weil es billigere Möglichkeiten gibt, CO2 einzusparen“, wie Sprecherin Retzlaff sagte. Allerdings habe sich der Verband seit der Entscheidung für den E10-Start bemüht, diesen zu unterstützen und auch ausreichend darüber zu informieren. Nicht nur, dass 45 Prozent der deutschen Tankstellen bereits umgerüstet sind, mit der ersten Belieferung mit dem neuen Kraftstoff Anfang Februar sei auch eine Vielzahl der insgesamt sieben Millionen Informationsflyer, die der Verband beim Umweltministerium bestellt hatte, verteilt worden.

Den Tankstellen drohen im Übrigen Strafzahlungen, wenn sie weniger E10 verkaufen, als das Gesetz ihnen vorschreibt. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge sollen das insgesamt mehrere hundert Millionen Euro sein.

Was ist von dem am Dienstag stattfindenden Benzingipfel zu erwarten?

Bei dem Treffen sollen neben Wirtschaftsminister Brüderle seine Kollegen Norbert Röttgen, Agrarministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer (beide CSU) dabei sein. Zudem sollen die Mineralölwirtschaft, die Autoindustrie sowie Verbraucherverbände am Tisch sitzen. Es wird wohl vor allem darum gehen, wie die besorgten Autofahrer beruhigt und doch noch für den neuen Treibstoff gewonnen werden könnten.

ADAC-Sprecher Hölzel hofft, dass der Gipfel mehr Klarheit schafft. „Man muss den Autofahrern die Information geben, die sie schon längst hätten bekommen sollen“, sagt er. Wichtig sei aber auch eine Bestandsschutzregelung. „Wir erwarten, dass es in Zukunft auch weiterhin ein echtes Super-E5 mit 95 Oktan gibt.“ Es könne nicht sein, dass Super-E5 „klammheimlich verschwindet“ und stattdessen nur noch Super-Plus angeboten würde. Für die Autos, die E10 nicht vertrügen und für diejenigen, die den Biokraftstoff nicht wollten, müsse man einen Kraftstoff anbieten, der „eine echte Alternative“ sei.

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