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Birgit Homburger

© Thilo Rückeis

Birgit Homburger: „Es gibt keinen Putsch“

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger spricht im Tagesspiegel über die Kritik am Parteivorsitzenden Guido Westerwelle, Wahlkämpfe – und die Zukunft.

Frau Homburger, kennen Sie den: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt“?

Diesen Satz hat Guido Westerwelle 2001 auf dem Düsseldorfer Parteitag gesagt, und damit seinen Machtanspruch als FDP-Chef eindrucksvoll bekräftigt.

Klingt heute wie ein schlechter Witz, oder?

Überhaupt nicht. Guido Westerwelle ist unser Bundesvorsitzender und hat selbst gesagt: „Ich verlasse das Deck nicht, wenn es stürmt.“ Wir haben mit ihm als Parteichef in den vergangenen Jahren viel erreicht. Die Personaldiskussionen, die gerade geführt werden, sind kontraproduktiv. Sie schaden, auch im Hinblick auf die Landtagswahlen des kommenden Jahres. Sie müssen schleunigst beendet werden.

Das Schiff ächzt und schlingert, aber Westerwelle bleibt auf alle Fälle Kapitän?

Natürlich gibt es Diskussionen. Das in Abrede zu stellen, würde bedeuten, die Realität zu leugnen. Die Diskussionen rühren daher, dass wir als FDP ein schwieriges Jahr hinter uns haben und in den Umfragen nicht gut dastehen. Aber wir haben bei den sieben Landtagswahlen im kommenden Jahr große Chancen, das Blatt zu wenden. Ich bin überzeugt, dass wir bei den Landtagswahlen erfolgreich sein werden und in Baden-Württemberg ein gutes Ergebnis erzielen, sodass wir die fürs Land erfolgreiche schwarz-gelbe Koalition im Südwesten fortsetzen können.

Hat Westerwelle als Parteichef nicht maßgeblich Anteil daran, dass 2010 ein so schwieriges Jahr für die FDP war?

Ich bin für Fairness im Umgang. All jene, die ihn jetzt kritisieren, sollten nicht vergessen, dass er maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Bundestagswahl 2009 für die FDP die erfolgreichste Wahl in ihrer Geschichte war. Im Übrigen haben wir längst Konsequenzen aus unseren Schwierigkeiten zu Beginn der Koalition gezogen. Wir haben in diesem Herbst geliefert und waren als kleinerer Koalitionspartner äußerst erfolgreich. Jetzt kommt es darauf an, unsere Erfolge selbstbewusst zu vertreten. Ohne die FDP hätte es doch zum Beispiel niemals eine Aussetzung der Wehrpflicht gegeben.

Etliche Liberale stellen sich aber die Frage, ob die FDP ihre Erfolge den Wählern vermitteln kann, solange Westerwelle Parteivorsitzender ist.

Wir sind ein Team, das gemeinsam die Erfolge vertritt und vermittelt.

In dieser Woche hat eine Runde namhafter FDP-Politiker über Für und Wider einer Ablösung Westerwelles als Parteichef beraten, darunter Parteivize Rainer Brüderle. Bereiten da manche den Putsch vor?

Es gibt keinen Putsch. Diskussionen gehören in einer Demokratie zum Parteileben dazu. Erfolgreich werden wir aber nur sein, wenn wir auch unsere Verantwortung, die uns die Wähler übertragen haben, wahrnehmen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir wurden nicht für Personalquerelen gewählt, sondern dafür, Deutschland voranzubringen. Unsere bisherigen Erfolge sind beachtlich. Wir haben bei den Hartz-Regelsätzen klug die Gestaltungsmöglichkeiten genutzt, die uns das Bundesverfassungsgericht gegeben hat. Die Regelsätze wurden so angehoben, dass das Lohnabstandsgebot beachtet wird. Wir haben mit unserem Energiekonzept einen realistischen Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien aufgezeigt. Wir haben mit der Haushaltskonsolidierung begonnen und durchgesetzt, dass erstmals seit Langem bei den Ausgaben gespart wird. Wir haben 2010 die Bürgerinnen und Bürger entlastet und nun eine Steuervereinfachung auf den Weg gebracht, um nur einige Punkte zu nennen. Diese Erfolge müssen von uns allen offensiv nach außen vermittelt werden. Andere werden es nicht für uns tun.

Auch in Ihrem eigenen Landesverband, der baden-württembergischen FDP, wächst der Widerstand gegen Westerwelle. Mehrere alt gediente Liberale aus dem Südwesten fordern in einem offenen Brief seinen Rücktritt, weil sie eine Niederlage der FDP bei der Landtagswahl im März fürchten.

Das ist nicht die Haltung des Landesverbandes.

Der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen FDP, Herbert Mertin, hat Westerwelle als „Klotz am Bein“ bezeichnet. Wird der Parteichef zur Belastung in den anstehenden Landtagswahlkämpfen?

Es ist nicht wahr, dass Guido Westerwelle im rheinland-pfälzischen Wahlkampf nicht eingeladen ist. Dortige Wahlkämpfer haben ihn angefragt. Im Wahlkampf in Baden-Württemberg ist Guido Westerwelle fest eingeplant. Es gibt keinen besseren Wahlkämpfer als Guido Westerwelle.

Warum hat Rainer Brüderle, der ja FDP- Landeschef in Rheinland-Pfalz ist, Mertin nicht zur Ordnung gerufen?

Das müssen Sie Herrn Brüderle fragen.

Wäre Brüderle als Nachfolger Westerwelles ungeeignet?

Die Frage nach einer Nachfolge für Guido Westerwelle stellt sich nicht.

Ist Brüderle nicht der einzige liberale Minister im Kabinett Merkel, der größere Erfolge für sich verbuchen kann?

Alle FDP-Minister leisten gute Arbeit. Außenminister Guido Westerwelle hat hervorragende Initiativen gestartet und große Erfolge erzielt. Denken Sie an den nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat, an seine Initiativen im Nahost-Friedensprozess und an den neuen, realistischen Afghanistan-Fortschrittsbericht. Entwicklungsminister Dirk Niebel hat innerhalb eines knappen Jahres eine Reform der Entwicklungsorganisationen erreicht, die den Steuerzahlern viel Geld spart. Daran ist seine rote Amtsvorgängerin über Jahre gescheitert. Philipp Rösler hat eine Gesundheitsreform auf den Weg gebracht und Einsparungen im Bereich der Pharmaindustrie von zwei Milliarden Euro erkämpft. Das hat wiederum seine SPD-Vorgängerin in acht Jahren nicht geschafft. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht eine hervorragende Arbeit und hat zuletzt eine Regelung für die Sicherungsverwahrung gefunden, der sogar die SPD zugestimmt hat. Rainer Brüderle hat sich mit seiner Ablehnung von Staatsbeihilfen für Opel klar zu Wettbewerb und Marktwirtschaft bekannt und so die Interessen der Steuerzahler durchgesetzt.

Super Minister, super Bilanz und trotzdem nur um die fünf Prozent in Umfragen.

Am Anfang des Jahres haben wir als Koalition selber dazu beigetragen, dass es knirschte. Inzwischen ist die Performance deutlich besser geworden, die Koalitionspartner arbeiten gut zusammen. Es gibt Gründe, warum sich das noch nicht in Umfragen niederschlägt. Wir hatten im ersten Jahr einen Vertrauensverlust, weil die Menschen sich von uns schnellere Erfolge erhofft hatten. Dieses Vertrauen wieder aufzubauen, geht nicht von heute auf morgen. Das braucht Zeit. Wir haben wieder Boden unter den Füßen. Die Menschen merken: Es hat sich etwas verändert. Wir müssen jetzt nach vorne stellen, was wir hart erarbeitet haben und was wir im nächsten Jahr für unser Land erreichen wollen.

Die FDP läutet das politische Jahr 2011 mit dem Dreikönigstreffen in Stuttgart ein. Welches Signal soll davon ausgehen?

Wir werden deutlich machen, dass es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes geht. Wir sind diejenigen, die gestalten und Verantwortung wahrnehmen, auch gegen Widerstände. Die Demonstrationen gegen unsere Regierungspolitik sind doch ein guter Beweis, dass der versprochene Politikwechsel stattgefunden hat. Wir haben eine Opposition, die gegen alles ist. Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands entscheidet sich aber daran, ob wir auf Dauer modernisierungsfähig sind. Der Konflikt um Stuttgart 21 steht exemplarisch dafür, ist aber nicht das einzige Beispiel. Die Grünen sind für bessere Schienenverkehrswege aber gegen Stuttgart 21, für mehr erneuerbare Energien, aber gegen Hochspannungsleitungen, die den Strom zum Verbraucher bringen. Diese Heuchelei werden wir den Grünen nicht durchgehen lassen. Wir sind ein Wirtschaftsstandort. Wenn wir Arbeitsplätze sichern wollen, können wir nicht beim Status quo stehen bleiben.

Muss Westerwelle spätestens auf dem Dreikönigstreffen sagen, ob er auf dem Parteitag im Mai wieder als Parteichef kandidiert?

Guido Westerwelle hat gerade eine klare Aussage dazu gemacht. Wir werden gemeinsam in die Landtagswahlkämpfe ziehen und gemeinsam Erfolge haben.

Und wenn es keine Erfolge gibt, wird er für die Niederlagen verantwortlich gemacht und muss gehen?

So wird es nicht kommen. Wir werden Erfolg haben, wir werden auch die Wahl in Baden-Württemberg gewinnen. Wenn jemand kämpfen kann, dann die Liberalen in unserem Stammland.

Wünschen Sie denn, dass Guido Westerwelle im Mai noch einmal antritt?

Ich wünsche mir ein Ende der unsinnigen Personaldiskussionen. Wir haben eine klare Vorstellung wie die Zukunft für unser Land aussehen soll. Damit gehen wir in die Offensive.

Das Interview führten Stephan Haselberger und Hans Monath. Das Foto machte Thilo Rückeis.

Zur Person

SPIELMACHERIN

Eigentlich wollte Birgit Homburger Profifußballerin werden. Stattdessen leitet die 45-Jährige seit der letzten Wahl im Herbst 2009 die FDP-Bundestagsfraktion und beerbte damit Guido Westerwelle auf

diesem Posten.

LIBERALE

Mit 17 Jahren trat Homburger in die FDP ein und machte dort schnell Karriere: Erst wurde sie Chefin der baden-württembergischen Jungliberalen, nach der Wende führte sie die Jugendorganisation auf Bundesebene. 1990 zog sie erstmals in den Bundestag ein, seit 2001 ist sie im FDP-Präsidium.

BADENERIN

Die studierte Verwaltungswissenschaftlerin wurde im April 1965 in Singen in Südbaden geboren. Seit sechs Jahren ist sie Parteichefin im liberalen Stammland im Südwesten Deutschlands. Im Sommer bekam sie den Unmut der Basis zu spüren: Sie verlor bei der Wiederwahl rund 20 Prozentpunkte an Zustimmung. Eine deutliche Niederlage bei der Landtagswahl im März würde wohl auch ihr angerechnet.

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