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Birma: Abrechnung der Generäle

Ein Jahr nach der „Safranrevolution“ stellt Birmas Junta Dissidenten kalt. Gerichte verurteilen auch Helfer der Zyklon-Katastrophe.

Birmas Militärjunta hat allein im November dieses Jahres 215 Regimegegner verurteilt. Das berichten Menschrechtsorganisationen aus dem asiatischen Land, in dem im September 2007 Hunderttausende für einen Rückzug der Generäle von der Macht demonstriert hatten.

Die Verurteilen sollen „illegalen Organisationen“ angehören und angeblich eine Bombe gelegt haben. Drei Dissidenten müssen lebenslang, ein Mönch 67 Jahre lang ins Gefängnis. Mindestens zwei Dutzend Mitglieder einer Gruppe von ehemaligen Studenten wurden zu jeweils 65 Jahren Haft verurteilt, ein Satiriker zu 59 Jahren. Unter den Verurteilten sind Menschenrechtler, Geistliche, Journalisten, Anwälte, Musiker, Dichter, Gewerkschaftler, Blogger und ein Anti- Aids-Aktivist. 30 Häftlinge sind Mitglieder der demokratischen Oppositionspartei NLD, die von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi geführt wird. Sie wird seit 19 Jahren mit Unterbrechungen gefangen gehalten und steht derzeit unter Hausarrest. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) gibt es in Birma, das seit 1962 von Militärs regiert wird, jetzt mehr als 2100 politische Häftlinge. „Die aktuellen Verurteilungen sollten jedem die Vorstellung nehmen, die Regierung habe die Absicht, zu ihrem Versprechen gegenüber den Vereinten Nationen zu stehen, die Menschenrechtslage zu verbessern. Sie kennt nur Re pression“, sagte Benjamin Zawacki, der Birmaexperte von AI.

Suu Kyis NLD-Partei ist noch nie durch Anschläge aufgefallen und lehnt Gewalt grundsätzlich ab. Nach Informationen des Assistenz-Verbandes für Häftlinge (AAPP) sind vergangenen Freitag drei NLD-Mitglieder im Zusammenhang mit einer Bombe zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sie sollen einen Anschlag auf das Büro einer regimenahen Gruppe verübt haben. „Der Vorwurf ist unbegründet. Die Regierung hat keine Beweise“, sagte NLD-Sprecher Nyan Win. Bei dem Anschlag wurde niemand verletzt.

Die meisten anderen Schuldsprüche im November standen im Zusammenhang mit der sogenannten Safranrevolution vom September 2007. Damals hatten Mönche friedliche Demonstrationen gegen die Junta angeführt. Eine „Allianz aller Mönche Birmas“ forderte Demokratie, mehr als 100 000 Menschen nahmen teil. „Wir protestieren, bis die Junta abgetreten ist und wir Freiheit bekommen“, erklärte die Allianz. Das Regime löste den Protest durch Schüsse auf, Dutzende Demonstranten starben, mehr als 1000 wurden verhaftet. Der 29-jährige U Gambira, ein Gründer der Mönchallianz, konnte zunächst fliehen. Er wurde später gefasst und jetzt mit 67 Jahren Haft bestraft. Ein anderer Mönch, U Kaylartha, wurde zu 39 Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Dutzend weitere Mönche müssen zwischen 2 und 19 Jahre lang hinter Gitter.

Der Protest vom September 2007 war von Dissidenten der „88-Generation“ eingeleitet und unterstützt worden. Die Gruppe besteht aus ehemaligen Studenten, die 1988 schon einmal Massen demonstrationen für Demokratie organisiert hatten. „Destruktive Elemente wollen Unruhe wie 1988 erreichen mit dem Ziel, die Macht zu ergreifen“, erklärte die Junta. Nach dem blutigen Niederschlagen des Protestes fassten Sicherheitskräfte zahlreiche 88er. Nun wurden viele von ihnen – Berichte schwanken zwischen 23 und 40 Mitglieder der Gruppe – mit jeweils 65 Jahren Haft bestraft.

Bei der jüngsten Prozessserie wurden auch Aktivisten belangt, die vor einem halben Jahr die Reaktion der Junta auf den Zyklon „Nagris“ kritisiert hatten. Nach dem Wirbelsturm, bei dem über 130 000 Menschen starben, nahm die Regierung zunächst keine Hilfe aus dem Westen an. Zarganar, Birmas bekanntester Satiriker, organisierte zusammen mit anderen Künstlern und mit Journalisten private Hilfsaktionen. Die Helfer sollen dabei Videoaufnahmen gemacht und westlichen Medien zugespielt haben. „Du findest Menschen, die fast nichts haben. Kein Essen. Du findest Menschen, die verrückt geworden sind. Die Regierung ist nicht daran interessiert zu helfen“, sagte Zarganar im Katastrophen gebiet. Er wurde nun zu 59 Jahren Haft verurteilt. Ein befreundeter Printjournalist wurde mit 19 Jahren, ein TV-Reporter mit 18 Jahren Gefängnis bestraft.

Nach Angaben von Beobachtern laufen noch etwa 40 Prozesse gegen Mönche, Aktivisten und Zyklon-Helfer. Die Junta-Justiz hält fast alle Verfahren in Gefängnissen oder Polizeistationen der alten Hauptstadt Rangun ab. Mehr als 100 Häftlinge sollen nach ihren Schuldsprüchen über das Land verteilt in Gefängnisse entlegener Gegenden gebracht worden sein. Birmas staatlich kontrollierte Medien berichten nicht darüber.

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