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Birma: Fortschritt auf Stelzen

Vor einem Jahr wurde das Irrawaddy-Delta in Birma verwüstet – nun entstehen dort neue Schulen.

Sie sehen ein bisschen aus wie Ufos, die gerade gelandet sind und noch keine Zeit hatten, ihre Landegestelle einzufahren. Hochbeinig hocken sie auf grauen Betonstelzen neben ärmlichen, wackeligen Hütten aus Palmwedeln und kleinen, golden leuchtenden Pagoden: die neuen Schulen, die die Welthungerhilfe in Birmas Todesdelta mit Spendengeldern aus Deutschland baut. Wenn wieder einmal ein Wirbelsturm wie der Zyklon „Nargis“ vor einem Jahr oder gar ein Erdbeben die Region erschüttern sollte, sollen sie außerdem Schutz für die Bewohner der Dörfer bieten – und auf jeden Fall stehen bleiben.

Zwei Stunden sind Rico Wallenta und seine einheimischen Ingenieure aus Bogale mit ihrem Boot über die kleinen Kanäle des Irrawaddy-Deltas unterwegs, wenn sie zur Baustelle in Hay Man Nyi Naung wollen. Eine von sieben Schulen entsteht hier, in diesen Tagen soll sie an die Vertreter des örtlichen Schulkomitees übergeben werden, Ende des Monats beginnt die Schule nach den Ferien wieder. 226 Kinder werden dort lernen, sie kommen auch aus den Nachbardörfern. Vier Räume hat die Schule, es gibt drei Lehrer. Im letzten Schuljahr wurde unter Planen unterrichtet. „Nargis“ hatte die Schule zerstört.

Der Motor des kleinen Bootes knattert, Enten fliegen auf. Plötzlich kommt das saftige Grün des Ufers sehr nah. Im nächsten Moment purzeln die Passagiere durch die Nussschale. Die Schiffsschraube hat sich in einer Schlingpflanze verfangen, der Kapitän reißt das Gestänge in letzter Sekunde mit voller Wucht herum. Glück gehabt, die Schraube ist heil geblieben. Das ist nicht immer so. Am Ufer hinter der kleinen Pagode werden die drei von der Welthungerhilfe schon zur Inspektion erwartet. Rico Wallenta, der schlaksige Architekt aus Chemnitz, zieht zuerst den Kopf ein, geht gebeugt unter den Rohbau. In den Streben zeigen sich nach dem Abnehmen der Verschalung kleine Risse. Noch ist das kein Problem, aber größer dürfen die Risse nicht werden. Ingenieur Aung Khan Hein und Junior-Ingenieurin Thuzal nicken unter ihren weißen Bauhelmen.

Das Schulkomitee hat nebenan frische Kokosnüsse aufgetischt, Rico Wallenta bedankt sich höflich und redet ihnen dann ins Gewissen. Denn das Komitee wird für die Instandhaltung der Schule verantwortlich sein: Einmal im Jahr müssen Fenster und Dachkonstruktion gestrichen, vor und nach der Regenzeit die Wasserauffangbecken gründlich gereinigt, Bäume gepflanzt werden. Die alte Schule ist nicht zuletzt deshalb zusammengefallen, weil das Gebäude nicht ordentlich gewartet wurde, sagt Wallenta.

Das kleine weiß-blaue Boot knattert weiter. Schule Nummer zwei von sieben in diesem Jahr entsteht in Sa Khan Gyi für 310 Kinder. In dem Ort mit gut 2000 Einwohnern wird offenbar schlampiger gearbeitet als in der ersten Station des Tages. Eine einheimische Firma aus der Stadt ist für die Baumaßnahmen verantwortlich. Oben auf der Außenmauer hockt ein dürrer älterer Mann mit einem Schlauch. Er hat sichtlich Spaß an seinem Job. „Beton muss 28 Tage gewässert werden“, erklärt Wallenta. Mit Wasser in Trinkwasserqualität. Trinkwasser zum Bauen in einer Gegend, wo die Menschen kaum sauberes Wasser zu trinken haben? „Das muss die Baufirma heranschaffen. Wenn sie das hier aus dem Trinkwasserteich des Ortes holen, müssen sie auf einem Boot Ersatz heranschaffen“, versucht Wallenta zu beruhigen. Anders gehe das nun mal nicht.

Der 34-jährige Deutsche schwingt sich nach oben auf den Abschluss der Ziegelwand. Ihn beunruhigen die kleinen Lücken, die den Blick auf den Stahl im Beton freigeben. „Das verputzen wir doch noch“, meint ein Arbeiter. Wallenta ist sprachlos. Sie haben den Bausand geprüft, Musterbetonquader an der Uni in Rangun testen lassen, und nun das. Der Putz ist Kosmetik, wenn Wasser mit dem Stahl in Berührung kommt, beginnt die Korrosion. Wallenta winkt die Ingenieurin herbei und hämmert ihr freundlich, aber bestimmt ein, dass sie vor dem Verputzen kontrollieren muss, dass all diese Löcher verschlossen sind. Er scheint zu denken: Hat sie das verstanden? Wird sie von dem Bautrupp ernst genommen? Auch der Tischler in Bogale folgt den Ausführungen des Deutschen mit den raspelkurzen dunklen Haaren mit erstauntem Blick, nickt aber heftig zustimmend. Hier werden die Tische und Bänke für die Schulen im Delta hergestellt, der Mann und seine Leute haben die Ausschreibung gewonnen. In der Werkstatt in der Nähe des Hafens hämmern, sägen und bohren jüngere und ältere Männer in allen Winkeln, Werkzeuge kreischen. „Hier ist das Holz gesprungen, da sind Insektenstiche“, moniert Wallenta. Der Tischler malt Zeichen an die kritisierten Teile. Am nächsten Tag wird der Experte aus dem Team der Hungerhilfe kommen und noch einmal alles durchsprechen. Umgerechnet 16 Euro pro Dreiertisch, neun für eine Bank soll der Tischler bekommen. „Besser wir reden jetzt darüber als erst bei der Endabnahme. Wir haben eine ganz bestimmte Qualität im Vertrag festgelegt. Wenn die nicht erfüllt wird, nehmen wir die Möbel nicht ab.“ Hier geht es um das Geld von Tagesspiegel-Lesern (siehe Kasten). Ende des Monats sollen die Kinder in Hay Man Nyi Naung und Sa Khan Gyi an den Tischen und Bänken lernen.

In der nächsten Saison wollen Wallenta und sein Team acht weitere Schul-Ufos im Delta landen lassen. Er würde sich wünschen, dass auch die Regierung auf diese stabile Bauweise umschwenkt. „Sie bauen die Schulen so wieder auf, wie sie früher waren“, sagt er. Rico Wallenta wirkt ein wenig resigniert, weil beim Wiederaufbau bisher so wenig an die Katastrophenvorsorge gedacht wird.

Richard Licht[Bogale]

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