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© dpa

Birma: Für die Augen der Welt

Zwei Wochen nach dem Sturm: Die Junta lässt ausländische Diplomaten ins Katastrophengebiet. Sie werden getäuscht, sagen Birmaner.

Die potemkinschen Dörfer im Todes-Delta von Birma sind offenbar in ausreichendem Maß gebaut. Zwei Wochen nach dem Zyklon Nargis hat die Junta am Samstag erstmals ausländische Diplomaten ins Irrawaddy-Delta gebracht. Dort hat der Zyklon besonders gewütet. Es ging zu den Städten Pyapon und Bogale. Auch den Deutschen wollte die Regierung zeigen, welche Taten sie dort vollbringt. Schließlich will sie gerne mehr Hilfe vom Ausland haben – aber weiter ohne deren Helfer. Ist es das, was der Premier meinte, als er verkündete, die erste Phase der Nothilfe sei vorbei, jetzt beginne die Phase des Wiederaufbaus?

„Das ist alles nur Show“, sagt ein Birmane, der am Morgen auch im Delta war. „Sie zeigen nur ausgewählte Plätze.“ Maung Maung Khin, der wie alle Menschen in dieser Geschichte anders heißt, hat in einem Kloster eine bezeichnende Szene miterlebt. „Der Waldminister kam mit einem Kameramann. Er hat einem Mönch ein Hilfspaket gegeben. Das haben sie gefilmt. Dann sind sie wieder gegangen. Ein Paket! Wo sind all die anderen Pakete?“ Es sei aus einer thailändischen Hilfslieferung gewesen. „Thailand hat sehr viel gespendet“, sagt er und hebt hilflos die Hände.

Tagelang war Maung Maung Khin im Delta. Südlich von Pyapon könne man noch drei Dörfer erreichen, dann versperrten Bäume die Straße. Entlang der Hauptroute nach Bogale bietet sich entlang der Flüsse Richtung Meer demnach immer noch ein furchtbares Bild. „Wir waren in elf Dörfern südlich von Bogale. Überall Leichen. Männer, Frauen. Kinder.“ Auf einigen Inseln sei niemand mehr gewesen. Maung Maung Khin ist überzeugt, dort sind alle gestorben. Andererseits gebe in den Dörfern so viele Menschen, die noch keine Hilfe bekommen hätten. Nicht von Privatleuten, nicht von Mönchen, schon gar nicht von der Regierung. Auf einer Insel habe es eine Krokodilaufzuchtstation gegeben, jetzt seien die Käfige leer. „Die Krokodile sind frei.“ Eine Räuberpistole? Krisen sind Nährboden für Gerüchte. Doch die Regierung lässt Ausländern keine Möglichkeit, das zu prüfen. Wer im Delta entdeckt wird, wird registriert und zurückgeschickt.

Auf dem Weg nach Bogale kamen Maung Maung Khin und seine Freunde kaum voran, weil sie die Brücken nicht passieren konnten. Inzwischen fahren mehr größere Trucks von Hilfsorganisationen Richtung Bogale, erzählt er. „Es gibt sechs Brücken. Vier sind aus Eisen, zwei aus Holz, sie stehen nur auf Bambusstützen. Als ein Bus über eine der Holzbrücken fuhr, machte es so“, sagt er und schwankt mit aufgerissenen Augen hin und her. Der Bauminister müsse für stabile Brücken sorgen. Er sagt das, aber an seine Minister glaubt er nicht mehr.

Andere sehen gar nicht mehr die Nachrichten im Staatsfernsehen. „Wir ignorieren sie“, sagt eine junge Frau. Immer wieder dieses „sie“. Damit ist die Regierung gemeint. „Wir wussten vor dem Referendum, welches Ergebnis es geben würde. Sogar die Kinder wissen, dass sie lügen“, sagt Dan Dan The. Sie guckt sich um. „Das darf niemand hören. Sonst muss ich ins Gefängnis.“

Die Militärjunta hatte am Donnerstag verkündet, für die neue Verfassung hätten 92,4 Prozent der Wähler gestimmt. Trotz Nargis hatte sie am 10. Mai fast überall im Land abstimmen lassen. In Rangun und den Katastrophenbezirken wird am 24. gewählt. Dan Dan The sagt, eigentlich wollte sie gegen die Verfassung stimmen. Doch seit das Regime verkündete, dass sich nichts mehr am Ergebnis ändern werde, ist sie doppelt aufgebracht. „Sie haben die Nein-Stimmen in Ja-Stimmen umgetauscht.“ Nun werde sie gar nicht gehen. „Ich werde ihnen sagen, ich wähle nicht“, sagt sie trotzig. Jeder, der sich traut, offen zu sprechen, ist verärgert. Warum sie nicht gegen die Regierung auf die Straße gehen? „So viele haben protestiert, so viele sind im Gefängnis gelandet“, sagt sie. Auch Freunde. „Uns ist kein Mut mehr geblieben.“ Sie setzt jetzt auf die Wahlen, die die neue Verfassung vorsieht, auch wenn sie der Junta weiter viele Vorteile zugesteht. „Mit der neuen Regierung wird sich etwas ändern“, macht Dan Dan The sich Mut.

Das Regime hat inzwischen die Zahl der Toten auf 78 000 nach oben korrigiert, die Zahl der Vermissten liegt jetzt offiziell bei 56 000. Aber der Eindruck bleibt, dass sie versuchen, das Ausmaß der Katastrophe zu vertuschen.

Auf dem Schwarzmarkt von Rangun wurden unlängst Bilder aus dem Delta verkauft. Zwei DVDs für einen Dollar. Auf einer ist das Ausmaß der Überschwemmung vom Helikopter aus zu sehen. Stammen die Aufnahmen aus Militärkreisen? Immer wieder sind Soldaten bei der Ausgabe von Hilfsgütern zu sehen. Auf der anderen DVD: Zerstörte Häuser, aufgedunsene Leiber, die im Wasser treiben.

Richard Licht[Rangun]

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