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Politik: Bis zu 400 Euro mehr im Monat

DKV-Chef Dibbern: Privat Krankenversicherte würden bei Koalitionsplänen unverhältnismäßig benachteiligt

Berlin - Die privaten Krankenversicherer in Deutschland (PKV) wehren sich vehement gegen die Pläne der großen Koalition, ihre mehr als acht Millionen Mitglieder in den vorgesehenen Gesundheitsfonds einzubeziehen. Privat Versicherte würden doppelt belastet und dadurch „unverhältnismäßig benachteiligt“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Europas größtem Krankenversicherer, DKV-Chef Günter Dibbern, dem Tagesspiegel. Sie müssten nicht nur steigende Kosten für ihr eigenes Alter in ihrer Privatversicherung tragen, sondern auch „die steigenden Krankheitskosten der älteren gesetzlich Krankenversicherten mitfinanzieren“.

Diese Doppelbelastung sei niemandem zuzumuten. Sie würde also „faktisch die Abschaffung der PKV und die Einführung einer staatlich gelenkten, umlagefinanzierten Einheitskasse bedeuten“, so Dibbern. „Die Anhänger der Bürgerversicherung hätten, unter einem anderen Namen, ihr Ziel erreicht.“

Branchenschätzungen zufolge müsste dann etwa ein 52-jähriger allein stehender Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen von 4000 Euro, der seit 20 Jahren privat krankenversichert ist, monatlich bis zu 394 Euro mehr bezahlen (Einkommensteuererhöhung beziehungsweise Gesundheits-Soli einberechnet). Bei einem Selbstständigen wäre eine Zusatzbelastung von bis zu 380 Euro monatlich zu erwarten. Unter diesen Umständen müsste den PKV-Mitgliedern wohl ein Wechselrecht zur gesetzlichen Versicherung ermöglicht werden. Folge: ein „massenhafter Exodus“, wie es in internen Papieren der Versicherungen heißt.

Auch das Neugeschäft käme zum Erliegen, fürchten die Privatversicherer. Ein 35-jähriger Arbeitnehmer (Bruttoeinkommen: 4000 Euro) müsste dann als Alleinstehender 250 Euro mehr berappen als in der GKV, als allein verdienender Familienvater mit zwei Kindern wären es 782 Euro. Insgesamt lägen die Kosten hier dann bei mehr als 1000 Euro pro Monat – gegenüber 242 Euro für gesetzlich Versicherte. Für Selbstständige wäre die Differenz noch höher, da kein Arbeitgeber mitbezahlt. Sie läge in der Spitze bei 802 Euro. Im Wettbewerb mit der GKV habe man so keine Chance mehr, heißt es.

Die Arbeitsgruppe der Koalition will sich in den nächsten Tagen mit der möglichen Einbeziehung der privat Versicherten in den Gesundheitsfonds beschäftigen. Trotz ablehnender Haltung in der Unionsspitze haben sich auch zwei CDU- Ministerpräsidenten, Günther Oettinger (Baden-Württemberg) und Dieter Althaus (Thüringen) dafür ausgesprochen. Die SPD will die Privatversicherer finanziell in jedem Fall stärker einbinden. In die Finanzierung müsse „mehr Solidarität und nicht weniger“, sagte die SPD-Abgeordnete Marlies Volkmer nach einem Expertentreffen der SPD-Fraktionen von Bund und Ländern in Magdeburg. „Die private Krankenversicherung muss sich in irgendeiner Form beteiligen.“

In nichtfinanzieller Form wollen die Privaten das auch tun. Man sei bereit, alle freiwillig versicherten GKV-Mitglieder unabhängig von Alter oder Gesundheit aufzunehmen, sagte Volker Leienbach vom PKV-Verband im Deutschlandfunk. Die Privaten könnten, nach dem Vorbild der gesetzlichen Kassen, eine Art Basisschutz anbieten. Man habe dies aber schon vor zwei Jahren angeboten. Das Gesundheitsministerium begrüßte die Offerte als überraschend. „Offenkundig ist die PKV dabei, ihre schon traditionelle Wagenburg zu verlassen“, sagte Sprecher Klaus Vater. Zum modernen Sozialstaat gehöre, dass jeder gegen Krankheit versichert sei. „Dazu gehört das freiheitliche Prinzip, dass jede Versicherung jeden ohne Ansehen des Risikos versichern muss.“

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