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Vorletzte Fragen: Erzbischof Zollitsch am Pult in Mannheim.Foto: Uwe Anspach/dpa

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Politik: Bischöfe im Stuhlkreis

Mit einer auf fünf Jahre angelegten Debatte will der Episkopat die Krise des deutschen Katholizismus lösen / Kritiker sind nicht dabei

Berlin - 180 000 Katholiken sind vergangenes Jahr aus der Kirche ausgetreten – nicht nur wegen der Missbrauchsskandale. Viele von denen, die weiter Kirchensteuer zahlen, glauben nicht mehr an das, was die Priester predigen. 300 katholische Hochschullehrer haben in einem Memorandum grundlegende Reformen in ihrer Kirche gefordert. Der Gesprächsbedarf zwischen Kirchenvolk und Bischöfen ist enorm. Der jetzt angestoßene „Gesprächsprozess“ könnte die letzte Chance sein, um die Stimmung zu verbessern. Es ist das größte Gespräch dieser Art seit der Würzburger Synode 1972–75. Freitag und Sonnabend hat der Gesprächsprozess in Mannheim begonnen; er soll fünf Jahre dauern.

Auf Einladung der Bischofskonferenz haben sich 300 Vertreter des kirchlichen Lebens und 12 Diözesanbischöfe – darunter der Münchner Kardinal Marx, der Osnabrücker Bischof Bode und sein Limburger Kollege Tebartz-van Elst – im Mannheimer „Rosengarten“ getroffen, um über die Zukunft ihrer Kirche zu sprechen.

Nach den Eröffnungsreden von Erzbischof Zollitsch und dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck verteilten sich die Teilnehmer auf 37 Stuhlkreise. „Komm Schöpfer Geist, kehr’ bei uns ein, besuch’ das Herz der Kinder dein“, haben sie gesungen. Dann ging es zur Sache: Jeder sollte ein Erlebnis aus seinem Leben erzählen, das ihn besonders berührt hat. Spätestens da wurde klar: Zurücklehnen und wohlfeilen Vorträgen zuhören ist nicht. Jeder muss mitmachen. Bischöfe und Dompröbste erzählten einfachen Gläubigen aus ihrem Leben, der Caritas-Direktor der Caritas-Mitarbeiterin, der Priester der Ordensfrau und umgekehrt. Wer in welchem Stuhlkreis sitzt, entschied eine zufällig gezogene Nummer. Bei der nächsten Runde wurde neu gemischt; diesmal sollte jeder Stärken und Schwächen der Kirche benennen.

„Im Heute glauben“ ist der mehrjährige Gesprächsprozess überschrieben. „Wir haben keinen fertigen Fünfjahresplan vorliegen“, hatte Erbischof Zollitsch zur Eröffnung gesagt. Beim Auftakt sollte erst einmal klar werden, wo die Kirche steht, was den Katholiken Kraft für den Glauben gibt und was ihnen auf den Nägeln brennt. In den kommenden Jahren will man sich vier weitere Male treffen, jährlich zu einem anderen übergeordneten Thema, das die Bischofskonferenz festgelegt hat: Diakonia (Verantwortung der Kirche in der freien Gesellschaft), Liturgie (Verehrung Gottes heute) und Martyria (den Glauben bezeugen).

Die brisanten Themen kamen am Sonnabend zur Sprache. In 30 Arbeitskreisen sollte jeder sagen, wie er sich die Kirche 2015 vorstellt. Viele wünschten sich eine Kirche, in der die Laien mehr zu sagen haben und Frauen zumindest Diakoninnen werden können, eine Kirche, in der Geschiedenen oder sonst Gescheiterten nicht die Rechtgläubigkeit abgesprochen wird und Wiederverheiratete zur Eucharistiefeier gehen dürfen. Sie wollen eine Kirche mit einer anderen Sexualmoral, die Homosexuelle nicht ausgrenzt. An diesen Themen soll nun weiter gearbeitet werden. „Es wäre schon viel erreicht, wenn es ein neues Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen geben würde“, sagte eine Frau vom Diözesanrat aus Essen. „Wenn ausgeschöpft würde, was kirchenrechtlich jetzt schon möglich ist.“ Die Diözesanräte vertreten die Laien eines Bistum.

„Die beiden Tage in Mannheim waren ein guter Anfang“, sagte Theodor Bolzenius, der Sprecher des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Besonders die Methode mit den Stuhlkreisen sei sehr gut angekommen. Das oft angekündigte „Gespräch auf Augenhöhe“ sei gelungen. Die Teilnehmer erwarteten nun aber auch, dass die Bischöfe die Themen, die sich herauskristallisiert haben, weiterberaten und nicht beim nächsten Treffen mit ganz anderen Themen kommen.

Bei dem am Samstag beendeten Treffen sei ein neuer Stil im Umgang miteinander gefunden worden, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Bischofskonferenz-Vorsitzender Zollitsch sagte. Dialog sei keine Methode, sondern eine Haltung. „Diese Haltung brauchen wir in der Kirche.“ Das sehen allerdings nicht alle deutschen Bischöfe so. Viel wird nun davon abhängen, ob sich die Gesprächsbereiten durchsetzen können. Der Austausch wird wohl auch auf die Schar der treuen, hoch engagierten Katholiken beschränkt bleiben. Reformgruppen wie die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ dürfen nicht teilnehmen. Die Basisgruppe „Kirche von unten“ blieb kritisch: „Was wir jetzt brauchen, sind konkrete Ergebnisse“, sagte ihr Sprecher Weisner. mit dpa

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