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Politik: Blair warnt vor Reformmüdigkeit

Letzter Auftritt vor Gewerkschaftskongress

Tony Blair hat ein letztes Mal seine hartnäckigsten Widersacher in der Labourbewegung ins Visier genommen. In Brighton warnte er den Jahreskongress des britischen Gewerkschaftsdachverbandes TUC vor Kleinmütigkeit und Reformangst. Zukunftsherausforderungen wie Globalisierung, Terrorismus und Migration müssten „mutig, nicht ängstlich“ angepackt werden, sagte Blair. Es klang wie eine letzte Ermahnung dickköpfiger Kinder, als er seine Irakpolitik verteidigte und noch einmal knapp seine „New Labour“-Prinzipien einforderte: „Eine Wirtschaft, die offene Märkte braucht, ein starkes Sozialsystem und öffentliche Dienste, besonders im Bildungsbereich, die die Menschen fit für die Zukunft machen.“

Als Blair seinen Rücktritt „binnen eines Jahres“ ankündigte, spielte er auf seine dauerhaft gespannte Beziehung zu den Gewerkschaften an: „Es wird mein letzter Gewerkschaftskongress sein, zur Erleichterung aller Beteiligten“. Nun verließen Delegierte aus Protest den Saal und hielten Plakate mit der Aufschrift „Go“ hoch.

Gewerkschafter wollen den Personalwechsel bei Labour mit einem Kurswechsel verbinden. Am Montag beschlossen sie eine Resolution gegen Blairs Reformprogramm im öffentlichen Dienst. Großbritanniens größte Gewerkschaft Unison bereitet den ersten landesweiten Streik im staatlichen Gesundheitsdienst NHS seit 18 Jahren vor. Sie will die Privatisierungen stoppen, mit denen Blair den gigantischen Staatskonzern NHS modernisieren will. So soll DHL, die Tochter der deutschen Post, beispielsweise die Warenlogistik für die NHS-Krankenhäuser übernehmen. Gewerkschafter schimpften, dass bald Spritzen, Gummihandschuhe und Rollstühle ausgehen würden.

Aber Streiks sind nur eine Waffe: Die Gewerkschaften wollen auch bei der Wahl eines neuen Parteichefs ihre Muskeln spielen lassen. Sie wollen arbeitnehmerfreundlichere Rentenreformen, ein neues Arbeitsrecht, einen höheren Mindestlohn – und Blairs Nachfolger soll diese Forderungen erfüllen. Auch hier hatte Blair allerdings eine Warnung parat: „Ich will, dass auf diesem Gewerkschaftskongress auch in Zukunft ein Labourpremier spricht, und kein konservativer.“

Der aussichtsreichste Kandidat für seine Nachfolge, Schatzkanzler Gordon Brown, sprach gestern Abend vor verschlossenen Türen zu den TUC-Bossen. Er muss die Gewerkschafter hinter sich bringen, ohne seine Glaubwürdigkeit als „New Labour“-Reformer zu verlieren. Einfach ist das nicht. Mit seinem Aufruf zur Lohnzurückhaltung im öffentlichen Dienst hat er eigene Konflikte mit den Gewerkschaften vorprogrammiert. Derek Simpson von der Dienstleistergewerkschaft Amicus, stellte sich als Erster offen hinter Brown: „Bis Weinachten muss er an der Parteispitze stehen“, drängte er.

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