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Politik: Bloß keine faden Apparatschiks

Schobel? Schaouble?

Schobel? Schaouble? Gehen Sie einmal in Paris auf die Straße und fragen Sie die Leute, wer Wolfgang Schäuble ist. Sie werden sehen, dass keiner auch nur die leiseste Ahnung hat. Pinochet dagegen ..." Das war vor einem Monat. Zwei Themen kämpften um den Platz auf den Titelseiten der Zeitungen: Großbritannien hatte vor, den ehemalien Diktator nach Santiago zurückzuschicken, und Wolfgang Schäuble hatte zugegegeben, dass er 100 000 Mark vom Waffenhändler Schreiber angenommen hatte. Das Argument der Chefredaktion meiner Zeitung war unanfechtbar. Pinochet gewann.

"Schäuble? Ja, gut, er ist zurückgetreten, aber jetzt ist er ein Mann der Vergangenheit. Schreiben Sie eher über die neuen Hoffnungsträger der Partei." Das war vorgestern, die gleiche Redaktion in Paris.

Armer Wolfgang Schäuble. Er verkörpert auf tragische Weise das Vergängliche und eitle Schicksal der Politiker. Als ewiger Thronfolger hat er nie aufgehört, im Schatten darauf zu warten, dass er drankommt, während Helmut Kohl in den Geschichtsbüchern ein Kapitel für sich allein reservierte. Den Mann, dessen Namen meine Kollegen so schlecht aussprechen können, wird die Geschichte schnell vergessen haben.

Und jetzt? Über wen soll ich jetzt schreiben? Die "Jungen Wilden"? Dieses Etikett hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Erwartet hatte ich junge Musketiere, die zu allem bereit sind, die kochen vor Ideen und vor Mut. Und getroffen habe ich Männer in den Vierzigern, vor der Zeit gealtert, die mehr Provinz-Notaren ähnelten als Marlon Brando. Nein, Roland Koch, der fade Apparatschik in Anzug und Krawatte, der von seinem Sessel aus eine Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft startete, dieser Roland Koch ließ mich nicht träumen. Christian Wulff, der wie ein braver Messdiener auftritt, ist so langweilig, dass man mit einem Artikel über ihn die aufmerksamsten Leser in den Schlaf wiegen würde. Übrigens, wo waren sie denn, diese "jungen Wilden", als es darum ging, Widerstand gegen den Patriarchen Kohl zu leisten, dessen System sie heute so mutig anprangern?

Die "alten Füchse"? Nein, man soll jetzt bitte nicht Bernhard Vogel und andere Vertreter der alten Garde, deren Abgang man uns so sehr versprochen hatte, noch eine Runde drehen lassen. Hat die gesamte Presse nicht bei den letzten Wahlen das Loblied auf den Generationswechsel gesungen?

Bleibt also Angela Merkel, um meine Leser zu erfreuen. Gut, ihre traurigen Cocker-Augen, ihre nonnenhafte Ausstrahlung, ihre unmögliche Kleidung haben nichts, was die Aufmerksamkeit der Franzosen auf sie ziehen könnte. Aber ist es nicht seltsam, dass es ausgerechnet diese Frau mit dem mangelnden Charisma ist, die uns als "letzte Hoffnung der CDU" präsentiert wird? Das ist für die CDU wie ein Erdbeben. Eine Frau ... An der Spitze einer Partei, die die Frauen lieber hinter dem Ofen sieht als mitten auf der politischen Bühne, und die eher schlecht als recht ihre Frauenquoten erfüllt, um sich modern zu geben. Eine Frau! Das gefällt mir gut.Die Autorin schreibt für das Magazin "Le Point". Aus dem Französischen von Tanja Stelzer.

Pascal Hugues

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