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Politik: Blutdiamanten der Moderne

Für die Produktion von Biosprit kaufen Konzerne in Afrika riesige Flächen auf – Hilfsorganisationen sprechen von Landraub

Berlin - Ein besseres Leben hatten sie ihnen versprochen, mehr Geld, mehr Arbeit. Also stimmten die armen Bauern im Norden Sierra Leones zu. Sie verpachteten das bisschen Land, das sie besaßen, an Investoren aus der Schweiz, fruchtbare Flächen, auf denen Reis und Maniok wuchsen und ihre Familie ernährten.

Der Schweizer Bioenergiekonzern baut seither Zuckerrohr und Maniok an, um daraus Ethanol herzustellen. Das Leben der Einwohner ist nicht besser geworden, im Gegenteil. Ihnen fehlt die Lebensgrundlage, die Entschädigung ist gering, kaum mehr als drei Dollar erhalten die Familien pro Jahr für eine Fläche von 4000 Quadratmetern. Und anders, als die Bauern dachten, wird der Konzern nicht nur drei Jahre im Land bleiben, sondern 50, berichtet Mohamed Conteh, Mitarbeiter der Organisation Madam in Sierra Leone, einem Partner von Brot für die Welt.

Experten nennen das Landraub – und es ist kein Einzelfall. Staaten und Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern schließen mit Entwicklungsländern langfristige Kauf- und Pachtverträge und pflanzen dort Soja, Mais und Palmöl für den Export und für die Produktion von Biosprit an. So kaufte auch die chinesische Regierung Land in Mosambik und sicherte sich für zwei Milliarden Dollar außerdem die Erlaubnis, 10 000 chinesische Bauern in dem südostafrikanischen Land anzusiedeln. Für Hilfsorganisationen ist Landraub ein zentrales Problem im Kampf gegen Hunger und Unterernährung. „Wir verurteilen die Nutzung von fruchtbarem Land für die Produktion von Agrotreibstoffen“, sagt Conteh. „Diese Treibstoffe sind die Blutdiamanten der heutigen Zeit. Menschenrechte werden verletzt.“

Weltweit hungern 925 Millionen Menschen, in 29 Ländern bezeichnet der Welthungerindex die Situation als sehr ernst oder gravierend, darunter in der Demokratischen Republik Kongo, in Burundi und Eritrea. In dieser Woche tagte der UN-Welternährungsausschuss in Rom, mit dabei war Oxfams Referentin für Welternährung, Marita Wiggerthale. „Wir fordern, das Menschenrecht auf Nahrung in Investitionsverträge aufzunehmen“, sagt Wiggerthale. In den vergangenen zwei Jahren seien 450 000 Quadratkilometer Land aufgekauft worden, etwa die Fläche Schwedens. In der Regel gehe das zu Lasten der Kleinbauern. „Verträge werden hinter verschlossenen Türen geschlossen“, kritisiert die Expertin. Keiner wisse, ob es beispielsweise bei einer Hungersnot eine Ausstiegsklausel gibt. „Das ist im Hinblick auf die Ernährungssicherheit der Bevölkerung nicht hinzunehmen“, sagt sie.

Je nach Region laufen die Verhandlungen unterschiedlich ab. In Sierra Leone nutzen Investoren die schwachen Strukturen aus: Sie verhandeln mit den traditionellen Anführern, sogenannte „Chiefs“, die das Land verwalten – doch es gehört ihnen nicht. „Ein armer Bauer würde niemals widersprechen, wenn der Chief einen Vertrag schließt“, sagt Conteh.

Die Finanzkrise hat den Landraub verstärkt: Für Investoren ist es derzeit attraktiv, in Rohstoffe und Landwirtschaft zu investieren, sagt Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation Fian, die gegen den Hunger in der Welt kämpft. „Auch deutsche und europäische Fonds spielen eine Rolle“, sagt Herre. Investoren steckten dadurch ihr Geld in Firmen, die Landraub betreiben. Oxfam schätzt Deutschlands Engagement im Welternährungsausschuss als groß ein, doch Wiggerthale reicht das nicht. Geberländer sollten statt Gentechnik und Grüner Revolution lieber Kleinbauern und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern. „Sonst produzieren in armen Ländern große Unternehmen zwar mehr Lebensmittel, aber keiner kann sie sich leisten“, sagt sie.

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