zum Hauptinhalt
Olympia

© ddp

Blutige Unruhen in Tibet: Ruf nach Olympia-Boykott wird lauter

Keine Spiele um den Preis eines "kulturellen Völkermordes": Der Präsident des Europäischen Parlaments droht Peking mit dem Boykott der Olympischen Spiele - und ruft die EU-Länder zur Verteidigung der Menschenrechte auf. China will unterdessen weiter mit aller Härte die "Verschwörung der Unabhängigkeitskräfte" niederschlagen.

Angesichts der Unruhen in Tibet hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, mit  einem Boykott der Olympischen Spiele in China gedroht. "Peking muss sich entscheiden. Es sollte unverzüglich mit dem Dalai Lama  verhandeln. Bleiben Signale der Verständigung aus, halte ich Boykottmaßnahmen für gerechtfertigt", sagte Pöttering der "Bild am Sonntag". Der CDU-Politiker betonte: "Wir sollten einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking nicht ausschließen. Wir wollen erfolgreiche Spiele - aber nicht zum Preis des kulturellen Völkermords an den Tibetern, von dem der Dalai Lama spricht."

Am Mittwoch werde das Europäische Parlament über die Lage in Tibet beraten, kündigte Pöttering an. Er forderte die EU-Länder auf, "bei der Verteidigung der Menschenrechte in Tibet mit einer Stimme zu sprechen". Der Präsident stellte auch die Entwicklungszusammenarbeit mit Peking in Frage. China sei für Europa ein wichtiger Partner, zum Beispiel beim Klimaschutz, Dialog und Zusammenarbeit seien im gegenseitigen Interesse.  "Aber das tibetische Volk darf dafür nicht geopfert werden. Wir würden unsere Selbstachtung verlieren."

Wiedereinreise von Journalisten gefordert

Auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn verlangte, man müsse den Chinesen "jetzt klar und offen sagen, dass sie die fröhlichen und unbeschwerten Spiele nicht bekommen werden, wenn sie mit der die Menschenrechte missachtenden Politik nicht aufhören", forderte er. Auch müssten die Sportverbände "endlich mehr tun, als nur zu sagen Sport ist Sport", forderte Kuhn.

Der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden rief Peking unterdessen zu einem "intelligenten Dialog" mit dem Westen auf. Nach Gesprächen mit der chinesischen Regierung in Peking forderte Klaeden die Wiederherstellung der freien Einreise von Journalisten und internationalen Beobachtern nach Tibet. Anderenfalls verstärke sich der Verdacht, dass Peking etwas zu verbergen habe, sagte er.

Zugleich forderte der CDU-Politiker die chinesische Regierung auf, die Diffamierungen des Dalai Lamas als geistliches und weltliches Oberhaupt der Tibeter einzustellen. Einen Boykott der Olympischen Spiele hält Klaeden "zur Zeit" für falsch. Allerdings wisse man nicht, wie sich die Lage in Tibet weiterentwickele.

"Ein Boykott würde vor allem die Athleten treffen"

Der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, Peter Danckert (SPD), und der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, lehnen Boykottmaßnahmen hingegen klar ab. Dem Sport würde damit eine Verantwortung übertragen, der er nicht gerecht werden könne. Was die Einhaltung der Menschenrechte angehe, sei vor allem die Politik gefragt. Dort seien längst noch nicht alle Einfluss-Möglichkeiten auf die chinesische Regierung ausgeschöpft. Es gebe bislang weder aus der Politik noch aus der Wirtschaft Forderungen nach einem Einfrieren der diplomatischen Beziehungen oder einer Unterbrechung des Handels.

Danckert forderte vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge, gemeinsam mit dem DOSB-Chef, Thomas Bach, Gesprächen mit Peking. Den Verantwortlichen in China müsse klar gemacht werden, "welcher Schatten auf die Olympischen Spiele zu fallen droht, wenn das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten nicht beendet wird".

Auch DOSB-Generaldirektor Vesper will an den Olympischen Spielen festhalten. Ein Boykott würde vor allem die Athleten treffen, die sich oftmals ein Jahrzehnt darauf vorbereiteten. "Die Olympischen Spiele sind kein Mittel zum Zweck und können nicht als Faustpfand für die Politik dienen", sagte er.

China: "Bösartige Absicht, die Olympischen Spiele zu untergraben"

Mit einer Verhaftungswelle und dem Aufmarsch von Truppen will China unterdessen die Proteste der Tibeter unter Kontrolle bringen. Eine Woche nach den gewalttätigen Ausschreitungen in der tibetischen Hauptstadt Lhasa lief die Propagandakampagne auf Hochtouren. Amtliche chinesische Medien riefen am Samstag zum entschiedenen Kampf gegen die Unabhängigkeitskräfte in Tibet auf. Nach einer neuen Bilanz der tibetischen Regierung sind bei den gewalttätigen Unruhen am vergangenen Freitag in Lhasa 19 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 600 verletzt worden. Exiltibeter gehen von insgesamt rund 100 Toten in Lhasa und anderen Orten aus. Chinas amtliche Medien machten "eine Hand voll Schurken" verantwortlich. Die Rädelsführer hätten einfache und ahnungslose Bürger angestiftet, gezwungen oder sogar bezahlt, sich an den Protesten zu beteiligen.

Das kommunistische Parteiorgan "Renmin Ribao" (Volkszeitung) rief zur "Niederschlagung der Verschwörung und Sabotage der Unabhängigkeitskräfte in Tibet" auf. Das Blatt warf dem Dalai Lama und den Exiltibetern vor, die Unruhen von langer Hand geplant und organisiert zu haben - "mit der bösartigen Absicht, die Olympische Spiele zu untergraben und Tibet vom Vaterland abspalten zu wollen". Das religiöse Oberhaupt der Tibeter wies die Vorwürfe zurück. "Die Proteste waren nicht koordiniert, niemand hatte sie unter Kontrolle", sagte der Sprecher des Dalai Lama im indischen Dharamsala. "Wir bedauern, dass sie in Gewalt ausgeartet sind. Der Dalai Lama ist immer gegen Gewalt gewesen", zitierte der US-amerikanische Sender Radio Free Asia (RFA). (jam/ddp/AFP/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false