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Merkel Uhrlau

© dpa

BND-Chef Uhrlau: Ahnungslos an der Spitze

BND-Chef Ernst Uhrlau erfuhr als Letzter von der Affäre im Kosovo – das könnte ihn das Amt kosten. Denn schon seit der Bespitzelung einer "Spiegel"-Korrespondentin hat Uhrlau nur noch eine Art Schonfrist.

Von Hans Monath

Berlin - Nach schweren Pannen an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes steht BND-Präsident Ernst Uhrlau erneut massiv unter Druck. In der Affäre um die Verhaftung dreier BND-Agenten im Kosovo hätte ein schnelleres Reagieren der BND-Spitze den drei Deutschen eine demütigende Haft ersparen und diplomatische Verstimmungen zwischen dem neuen Staat und Deutschland verhindern können, wie neu bekannt gewordene Einzelheiten zeigen. Dem seit 2005 amtierenden Chef des Auslandsgeheimdienstes war vom CDU-geführten Kanzleramt nach der Abhör-Affäre um eine „Spiegel“-Korrespondentin im April nur eine Art Schonfrist eingeräumt worden.

Die Nachrichtenagentur ddp zitierte am Sonntag „hohe Beamte des Bundeskanzleramtes“ mit den Sätzen, Uhrlau befinde sich „im freien Fall“. Es habe sich wieder einmal gezeigt, dass er „seinen Laden einfach nicht im Griff hat“. Konkret geht es um den Vorwurf, dass die BND- Spitze nicht handelte, obwohl sie von ihren eigenen Agenten über die heraufziehende Gefahr informiert worden war. „Ernst Uhrlau wird das Versäumnis der BND-Führung erklären müssen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU) dem Tagesspiegel. „Danach wird man Konsequenzen ziehen müssen.“ Uhl ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Überwachung des Geheimdienstes, das sich in zehn Tagen erneut mit den Vorgängen im Kosovo befassen wird.

Einer von drei verdeckt im Kosovo arbeitenden BND-Agenten hatte am 14. November die EU-Vertretung in Pristina fotografiert, die durch einen Bombenanschlag beschädigt worden war. Danach wurde er von der Polizei in Gewahrsam genommen und erkennungsdienstlich behandelt, aber wieder freigelassen. Die Kosovaren fanden bei ihm einen Notizblock mit Aufzeichnungen über den Ministerpräsident Hashim Thaci, der nach Ansicht des BND ein Drahtzieher der organisierten Kriminalität im Kosovo ist. Auf den drei Agenten, die unter einer Legende in Pristina recherchierten, war damit klar, dass Ärger drohte. Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ schickten die Agenten noch am Abend einen verschlüsselten Hilferuf an ihre Zentrale. Dieser blieb jedoch mehrere Tage liegen und gelangte nicht in die Hände von Uhrlau.

Erst fünf Tage später wurden die drei Agenten, die keinen diplomatischen Schutz genossen, verhaftet. Uhrlau erfuhr davon nach Angaben mehrerer Zeitungen nicht aus dem BND, sondern vom Auswärtigen Amt. Erst einen Tag später, als auch noch die Büroräume der Deutschen durchsucht wurden, informierte er die BND-Aufsichtsbehörde, das Kanzleramt, von dem Vorfall. Weil im Kosovo mehrere Medien spektakulär über die Verhaftung der angeblichen deutschen Bombenleger berichteten, war zu diesem Zeitpunkt jede Chance vertan, die Angelegenheit ohne diplomatische Verwicklung in Telefonaten hochrangiger Politiker beider Länder beizulegen.

CSU-Mann Uhl hält der Führung des Geheimdienstes nun vor, sie hätte seinen Agenten die Demütigung ersparen können. „Die politische Entwicklung war aufgrund des Berichts absehbar“, sagt er. „Die BND-Spitze hätte sofort veranlassen müssen, dass die drei Agenten ausreisen.“ Auch anonyme BND-Insider warfen Uhrlau schon wenige Tage nach der Freilassung der drei Agenten am 28. November in den Medien „totales Versagen“ vor. Versäumnisse sieht Uhl allerdings auch bei Außenminister Frank- Walter Steinmeier (SPD): „Es ist keine Aktivität des Außenministers zum Schutz der drei Inhaftierten bekannt geworden.“

Führende Unionspolitiker drängten schon nach der Affäre um die abgehörte „Spiegel“-Journalistin in Afghanistan einen Wechsel an der Spitze des BND. In der Koalition gilt es aber als ausgeschlossen, dass das Kanzleramt alleine über Uhrlaus Zukunft entscheiden kann, ohne einen Konflikt mit der SPD heraufzubeschwören. Zehn Monate vor der Bundestagswahl wird nicht erwartet, dass die SPD Uhrlau opfert, der in der rot-grünen Regierung als Leiter der Geheimdienstabteilung im Kanzleramt eng mit dem damaligen Kanzleramtschef Steinmeier zusammenarbeitete. Allerdings zeigt die Fülle der Details, die nun über die Kosovo-Aktion bekannt wurde, dass Uhrlau mit Loyalität des Kanzleramtes und weiter Teile seines Dienstes nicht mehr rechnen kann.

Die Regierung des Kosovo äußerte derweil erstmals Bedauern über die Verhaftung der drei BND-Leute. „Das war ein sehr unglücklicher Vorfall, sagte Vizeaußenministerin Vlora Citaku der „Welt am Sonntag“. Man könne sich aber nicht für eine Sache entschuldigen, „mit der wir nichts zu tun haben“, fügte sie hinzu.

Am Wochenende wurde auch bekannt, dass der BND jahrelang ein Büro der Deutschen Welthungerhilfe in Afghanistan überwachte. Laut „Spiegel“ teilte der BND der Organisation mit, dass er von Oktober 2005 bis April 2008 den E-Mail- Verkehr des Büros teilweise mitgelesen habe. Im Kanzleramt wird dies Uhrlau aber offenbar nicht als Fehler angelastet.

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