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Politik: BND: Ein deutscher Geheimdienst mit Schattenhaushalt?

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist in den Verdacht geraten, einen Schattenhaushalt zu führen. Es sehe so aus, "als ob sich der BND über Tarnfirmen an privatwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt", sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der auch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, das an diesem Mittwoch zusammentritt.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist in den Verdacht geraten, einen Schattenhaushalt zu führen. Es sehe so aus, "als ob sich der BND über Tarnfirmen an privatwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt", sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der auch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, das an diesem Mittwoch zusammentritt.

Anlass für Ströbeles Äußerungen ist der Prozess gegen einen hochrangigen BND-Mitarbeiter Ende vergangenen Jahres. Der BND-Direktor Roman Christoph Klonowski war vom Amtsgericht München wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 13 500 Mark verurteilt worden (Az: 812 Cs 572 Js 37025/00). Das Urteil ist rechtskräftig. Ein Betrugsverfahren ist noch anhängig.

Unter dem Decknamen Stephan Bodenkamp hatte Klonowski ein kompliziertes Firmengeflecht aufgebaut. Hintergrund ist ein Forschungsauftrag der EU-Kommission vom Mai 1998. Brüssel hatte für die Entwicklung eines Spracherkennungssystems 2,1 Millionen Euro bereit gestellt. Das Projekt lief unter dem Namen Sensus und sollte die europäischen Sicherheitsbehörden, zum Beispiel Europol, in die Lage versetzen, in verschiedenen Sprachen vernetzt zu arbeiten.

Der BND war über seine Außenstelle "Amt für Auslandsfragen" (AfA) an der Entwicklung beteiligt. Klonowski, der Leiter des AfA, übernahm die Koordinierung. Doch nicht allein das: Über mehrere Tarnfirmen beteiligte er den BND am lukrativen Zukunftsmarkt der Spracherkennungstechnologie. Das Sensus-Projekt endete im Herbst 2000 ohne befriedigende Ergebnisse.

Klonowski hatte dafür einen Vertrag mit der Partnerfirma Polygenesys gefälscht. Das von Polygenesys zur Reife entwickelte System Polygon sollte das Herzstück von Sensus werden. Es kann die unterschiedlichsten in einem System abgespeicherten Informationen wieder in einen Bedeutungszusammenhang bringen. Polizeibehörden in Ungarn, der Slowakei und der Ukraine setzen Polygon bereits ein - finanziert mit Mitteln des Bundesinnenministeriums. Auch der Schalck-Untersuchungsausschuss des Bundestages bewältigte Anfang der 90er Jahre seine Aktenflut mit diesem System.

Der von Klonowski gefälschte Vertrag sah vor, dass sämtliche Verwertungsansprüche an AfA, also an den Bundesnachrichtendienst übergegangen wären. Doch der Vertrag war nichtig. Polygenesys konnte seine Ansprüche nicht durchsetzen und stand im Herbst 1999 plötzlich vor der Pleite. Die derzeit noch offenen Forderungen gegen AfA beziffert die Firmeninhaberin auf rund 330 000 Mark. Der Betrugsprozess läuft.

Das Interesse des BND an solcher Technik ist verständlich. Für ihn liegt der Wert eines "multilingualen" Computerprogrammes im Überwachungsbereich (Telefon, Fax, E-Mail, Internet).

Zu dienstlichen Konsequenzen für "Stephan Bodenkamp", also Klonowski, will man sich beim BND nicht äußern. Der Grüne Christian Ströbele sieht hingegen "erheblichen Aufklärungsbedarf" darüber, ob der Bundesnachrichtendienst einen Nebenhaushalt besitzt, der nicht im Bundeshaushalt ausgewiesen ist.

Otto Diederichs

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