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Politik: Bodo Hombach im Interview: "Wir halten einen Stuhl für Jugoslawien frei"

Bodo Hombach (47) ist seit Juni 1999 Koordinator der Europäischen Union für den Stabilitätspakt für Südosteuropa. Unter seiner Regie soll in den Bereichen Demokratisierung, wirtschaftlicher Aufbau und Sicherheit regionale und internationale Kooperation erreicht werden.

Bodo Hombach (47) ist seit Juni 1999 Koordinator der Europäischen Union für den Stabilitätspakt für Südosteuropa. Unter seiner Regie soll in den Bereichen Demokratisierung, wirtschaftlicher Aufbau und Sicherheit regionale und internationale Kooperation erreicht werden. Zuvor war der Sozialdemokrat Hombach Wahlkampfberater und nach dem rot-grünen Wahlsieg 1998 Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder. Als Ideengeber in der Europapolitik hat der Autor von sozial- und wirtschaftpolitischen Büchern auch das Schröder-Blair-Papier verfasst.

Ein Jahr nach dem Kosovo-Krieg: Stehen die Zeichen auf Frieden? Oder zeigt der Boykott der UN-Mission durch Albaner-Führer Thaci und die extremen Serben: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg?

Es ist kein Zustand der Harmonie. Aber es gibt heute viel mehr Übung darin, Konflikte gewaltfrei auszutragen. Die Länder der Region arbeiten so gut zusammen wie nie zuvor. Sie wollen die alte Balkan-Erfahrung, dass Konflikte nur eskalieren können und zum Krieg führen, beenden.

Welche Länder unterstützen die neue Vielvölker-Kooperation? Welche blockieren?

Die aufwärts strebende Spirale von Zuversicht und Unterstützung ist noch fragil. Wenn eine Seite ihre Rolle nicht spielt, kann daraus eine Abwärtsspirale der Enttäuschung werden. Bei meiner Arbeit habe ich zwei Hüte. Die Regierungen auf dem Balkan frage ich: Was ist mit den versprochenen Reformen? Und die Geberländer in der EU und der G 8: Was ist mit der versprochenen Unterstützung? Früher hatte jedes Land einen großen Bruder draußen, mit dem hat es Politik gemacht, nicht aber mit seinen Nachbarn. Umgekehrt hatten die Staaten im alten Europa einen Lieblingspartner auf dem Balkan. So wurden europäische Konflikte stellvertretend auf dem Balkan ausgetragen. Und Balkan-Konflikte eskalierten zu europäischen Kriegen. Deshalb ist die regionale Zusammenarbeit so wichtig, aber auch eine gemeinsame europäische Strategie.

Nochmals: Wer macht mit? Es gibt doch einen Unterschied zwischen Rumänien und dem zerstrittenen Bosnien-Herzegowina, von Milosevics Serbien ganz zu schweigen .

Alle Länder haben den Vorteil der Zusammenarbeit erkannt. Die Annäherung zwischen Kroatien und Montenegro war für mich eine der besten Nachrichten im vergangenen Jahr. Ich kann nicht sagen, wer mehr und wer weniger Kooperation will. Positive Ansätze gibt es überall, Skepsis aber auch. Der Stabilitätspakt ist pflegebedürftig, wir müssen die Gefährdungen ausschalten.

Welche sind das?

Die größte Gefahr wäre jetzt, wenn Europa, nachdem es das Geld zur Verfügung gestellt und die Projekte definiert hat, aus Bürokratismus nicht in der Lage wäre, für eine schnelle Umsetzung zu sorgen. Die Menschen müssen durch Taten überzeugt werden, dass der Stabilitätspakt ernst gemeint ist. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir innerhalb von drei Tagen die Bombardierung beschließen können, aber nach einem Jahr nicht fähig sind, die Brücke neu aufzubauen.

Und die Risiken in der Region?

Die Nationalismen sind noch lebendig. Wenn der Aufschwung nicht schnell genug kommt, können sie außer Kontrolle geraten. Frieden und Stabilität brauchen ökonomischen Fortschritt, aber der kommt auch nicht ohne Frieden und Stabilität.

Wie realistisch ist der Vorschlag des Bosnien-Beauftragten Petritsch, allen Balkanstaaten rasch den Euro zu geben - als Symbol?

Petritsch kompensiert durch eine exzellente Arbeit schwere Fehler Europas in Bosnien. Der Hauptfehler war: Die Verantwortlichen hatten bei der Loslösung vom Kommunismus das Prinzip Eigenverantwortung nicht gelernt. Man hat ihnen nicht das Gefühl gegeben: Wir helfen dem, der sich selbst hilft. Sondern Europa hat sich die Verantwortung aufbürden lassen. Sie liegt aber bei den Politikern der Region. Bosnien muss 18 schwerwiegende Punkte erfüllen, bevor es mit uns reden kann über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen. Dazu gehört der Aufbau eines seriösen Bankwesens und die Erfüllung wirtschaftlicher Grundregeln. Dann kann man über die Währung nachdenken - als Symbol. Das darf man aber nicht verwechseln mit Beitritt zum Euro.

Slobodan Milosevic ist trotz der verlorenen Kriege der populärste Politiker in Jugoslawien. Durch die Verfassungsänderung kann er theoretisch bis 2009 Präsident bleiben. Was bedeutet das für den Balkan?

Zunächst: Was bedeutet es für das gebeutelte serbische Volk? Milosevic hat dieses Land ökonomisch, sozial und in seinen nationalen Interessen zugrunde gerichtet. Wenn er dennoch populär ist, kann ich mir das nur dadurch erklären, dass er die Medien beherrscht. Er hat 60 Journalisten inhaftiert und 120 Medien verboten. Er fürchtet die Wahrheit. Wir unterstützen die Opposition, aber die Absetzung Milosevics muss Aufgabe des serbischen Volkes sein.

Und was bedeutet es für den Stabilitätspakt?

Wir halten bei jeder Konferenz einen symbolischen Stuhl für Jugoslawien frei. Der Stabilitätspakt zieht keine Mauer um das serbische Volk. Wir legen schon jetzt Geld zurück für den Aufbau eines demokratischen Serbien. Aber wir sorgen zugleich für Stabilität rund um Jugoslawien, damit es keinen Flächenbrand mehr geben kann.

Anfangs haben Sie das Kanzleramt geleitet. Die größten Reformprojekte - Steuer, Gesundheit, Rente - sind nun wirtschaftsfreundlicher ausgefallen als angekündigt. Vermissen Sie den Einfluss der SPD-Linken?

Nein. Ich bin nicht berufen, deutsche Innenpolitik zu kommentieren. Das umfasst mein ansonsten breites Mandat nicht. Aber ich finde, dass die Regierung ein gutes Werk tut.

Ein Jahr nach dem Kosovo-Krieg: Stehen die Zeichen

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