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Bodo Ramelow im Oktober auf einem Landesparteitag der Linke Thüringen in Bad Salzungen

© Jens-Ulrich Koch/dpa

Bodo Ramelow für Thüringen: Ein Linker an der Macht - na und?!

Der Linke-Politiker Bodo Ramelow soll am Freitag zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt werden. Das ist demokratische Normalität. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Meisner

Es ist allen Kritikern einer von der Linkspartei geführten Regierung in Thüringen die Gelassenheit von Bernhard Vogel zu wünschen. Bodo Ramelow als Ministerpräsident, meint der christdemokratische Amtsvorvorvorgänger, das sei nicht der Untergang des Abendlandes. Eher ruhige Jahre werde Thüringen demnächst erleben, der Linke werde sein Amt sehr friedlich und verbindlich bestreiten.
Honorig ist auch, wie sich Christine Lieberknecht aus dem Rennen nimmt, bevor es an diesem Freitag ernst wird im Erfurter Landtag. Zu verhindern wäre der Linke allenfalls mit mindestens einem Abweichler aus den Stimmen von Rot-Rot-Grün. Aber, und hier wird es dann problematisch, nur mit Unterstützung der AfD. Denn spätestens seit der thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke seinen CDU-Kollegen Mike Mohring als „jungen Stürmer“ gelobt hat, kann sich die Union aus der Umarmung nur noch befreien, indem sie die Ramelow-Wahl hinnimmt als das, was sie ist: demokratische Normalität, 25 Jahre nach dem Mauerfall. Der Verzicht auf einen CDU-Gegenkandidaten im ersten Wahlgang war dafür der erste Schritt.
Wie es ausgeht? Sicher ist bei den knappen Mehrheitsverhältnissen im Thüringer Landtag nichts. Doch viel spricht dafür, dass die Aufgeregtheiten der Anti-r2g-Protestbewegung das neue Lager aus Linken, SPD und Grünen eher zusammengeschweißt haben. Vor einem „SED-Staat in der Mitte Deutschlands“ warnen „Träger des Landesverdienstordens“ in großformatigen Anzeigen in thüringischen Tageszeitungen, aufgebracht über die SPD, die doch selbst Opfer der SED-Diktatur gewesen sei, und die Grünen, die aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung hervorgegangen seien.

Die Linke hat noch Dreck am Stecken, gewiss. Auch hat sie sich nur widerwillig auf das Bekenntnis zur DDR als „Unrechtsstaat“ eingelassen. Aber genau deshalb ist es gut, dass SPD und Grüne der Linkspartei jetzt Regierungsverantwortung übertragen, ja, sich ihr in der Koalition sogar unterordnen. Derart in die Pflicht genommen werden Ramelow und seine Truppen gar nicht anders können, als zu unterstreichen, dass sie nicht die Demokratie aushebeln und einen sozialistischen Freistaat errichten wollen. Die Passagen zur DDR-Geschichte im Koalitionsvertrag sind mustergültig. Sie bieten eine Chance zur Versöhnung, auch wenn Ramelow eine solche Geste keinem SED-Opfer aufzwingen wird.

Was der von manchen als historisch empfundene Schritt für das Verhältnis von SPD, Linken und Grünen im Bund bedeutet? Es ist eine Lockerungsübung, zunächst nicht mehr. So wie es 1994 das „Magdeburger Modell“ war, bei dem die PDS eine rot-grüne Minderheitsregierung unterstützte. So wie 1998 die erste rot-rote Koalition, damals in Mecklenburg. So wie in Folge die Bündnisse in Berlin und Brandenburg. Stets hat sich die Linke als sehr pragmatisch erwiesen. Ob sie auf Bundesebene solchen Realitätssinn aufbringen kann, ist derzeit mehr als fraglich. Wobei die Angriffsflächen hier vor allem linke Altkader aus dem Westen bieten. Auch Ramelow wird sich messen lassen müssen an dem, was er jetzt tut. Und nicht an der Vergangenheit.

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