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Bodo Ramelow

© Maria Feck/laif

Update

Bodo Ramelow und die DDR: Woran Rot-Rot-Grün in Thüringen noch scheitern könnte

Er möchte der erste linke Ministerpräsident werden. Doch in der Rolle tut sich Bodo Ramelow noch schwer. Die Debatte um seine Haltung zur DDR flammt neu auf. Könnte Rot-Rot-Grün in Thüringen noch scheitern?

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Am 5. Dezember gibt es vermutlich eine Deutschland-Premiere im Thüringer Landtag: Erstmals könnte ein Linker zum Regierungschef eines Bundeslandes gewählt werden. Doch es bleiben einige Unwägbarkeiten – so eröffnet die Landesverfassung Interpretationsspielraum für die Modalitäten der Wahl. Und der Kandidat selbst, Bodo Ramelow, sorgt mit einem Interview für Aufregung: Zerstörung von Biografien, die vom Staatsapparat der DDR ausging und Repressionen, die Linke in Westdeutschland erlitten haben – es gehe nicht darum, das in einen Topf zu werfen, sagt Bodo Ramelow, der Kandidat für das Ministerpräsidentenamt in Thüringen. Und tut es im Interview mit dem „Neuen Deutschland“ (ND) dann irgendwie doch. Der Linke fordert, bei einer „ehrlichen Aufarbeitung“ der Geschichte „beide Seiten“ in den Blick zu nehmen, „weil sich die beiden politischen Systeme in Ost und West stets gegenseitig bekämpft“ hätten.

Dann fordert er einerseits, dass DDR-Opfer höhere Renten bekommen müssen. Und verlangt andererseits eine Aufhebung des KPD-Verbots, die Rehabilitierung der Berufsverbote-Opfer in der BRD, einen Stopp der Blauhemd-Prozesse wegen Tragen des FDJ-Hemdes sowie eine Anhebung der Renten für Menschen aus dem früheren DDR-Staatsapparat. „Die Rentenkasse darf nicht als ideologisches Kampfinstrument herhalten.“

Hubertus Knabe: Ramelow verdreht die Geschichte

Für die Gegner von Ramelow ist das Interview eine willkommene Vorlage. Hubertus Knabe, Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, darf in der „Bild“-Zeitung einen Gastbeitrag schreiben: „So verdreht Ramelow die Geschichte“. Berufsverbote habe es in der DDR gegeben, meint Knabe, „nicht in Westdeutschland“ – dass damals Beamte vom Lehrer bis zum Briefträger nicht Mitglied extremistischer Parteien wie der DKP sein durften, will Knabe nicht als Berufsverbot verstanden wissen. Er sagt: „Was Ramelow macht, nennt man bei Rechtsradikalen Geschichtsrevisionismus.“

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Der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, twittert: „Auch sehr schön. Hubertus Knabe entlarvt Ramelow in der ,Bild’.“ Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld erklärt: „Hätte eigentlich gedacht, dass Ramelow erst Wahl abwartet. Ehrlich, aber ewig gestrig. Einfach nur traurig...“

„ND“-Chefredakteur Tom Strohschneider, der das Interview geführt hat, ist weniger von Ramelow überrascht als von den heftigen Reaktionen. Seine Position zur Frage, wie mit den Linken im Westen umgegangen wurde, habe Ramelow nicht erst jetzt erfunden. Sie sei „Teil seiner Biographie“. Ramelow sagt zur Attacke von Knabe: „Der kalte Krieg ist wirklich nicht vorbei!“

Grüne: Kein Grund zum Entrüstungssturm

Der langjährige Fraktionschef der Linken im Thüringer Landtag gilt als impulsiv, Parteifreunde erlebten ihn immer wieder auch als Choleriker. Seit er um den Posten des Ministerpräsidenten kämpft, tritt er fast staatsmännisch auf, ganz im Sinne seiner Ratgeber etwa aus der Linken-Parteizentrale.

Heikel wurde es nur, als Ramelow immer wieder betonte, wie schwer er sich damit tue, den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR zu verwenden – so wie es Linke, SPD und Grüne fest vereinbart haben.

Jetzt, kurz vor dem 5. Dezember, halten die potenziellen Koalitionspartner dennoch fest zusammen. „Ich teile sicher nicht alles, was Bodo sagt“, erklärt etwa die Thüringer Grüne Astrid-Rothe-Beinlich. „Aber ich sehe keinen Grund zum Entrüstungssturm...“

Gutachten: Gegenstimmen sind ohne Belang

Bodo Ramelow
Bodo Ramelow

© Maria Feck/laif

Dennoch hat Ramelow ein Problem. Drei Koalitionspartner zusammenzubringen, ist schwierig genug. Zudem über die Mehrheit von nur einem Sitz zu verfügen, ist umso schwieriger. Trotzdem geben sich Linke, SPD und Grüne optimistisch, dass die Wahl von Bodo Ramelow zum ersten deutschen Ministerpräsidenten von der Linkspartei am 5. Dezember im Erfurter Landtag gelingt.

In den Koalitionsvertrag wurden zahlreiche Kompromisse aufgenommen. So gab die Linke ihre Maximalforderung auf, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Zudem machte sie Zugeständnisse bei der Verteilung der Ministerien. Als mit 28 Prozent größter Partner begnügt sie sich mit drei Fachministerien – genauso viele wie die SPD (zwölf Prozent) und nur eines mehr als die Grünen (sechs Prozent). An Inhalten und Posten dürfte Ramelows Wahl also nicht scheitern.

Dennoch könnten einzelne Abgeordnete die Wahl nutzen, um ihren Unmut kundzutun. Geoutet hat sich bisher niemand. In der Linken gilt es jedoch nicht wenigen als Unterwerfungsgeste, dass im Koalitionsvertrag die DDR als „Unrechtsstaat“ bezeichnet wird. So war die Landtagsabgeordnete Johanna Scheringer-Wright nicht für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen. Bei den Grünen ist der Abgeordnete Olaf Möller als Abweichler verdächtig. Er soll versucht haben, ein Bündnis von CDU, Grünen und SPD zustande zu bringen. Bei der SPD wiederum hat der vormalige Wirtschaftsminister Uwe Höhn wiederholt Zweifel geäußert.

CDU: Abenteuerliches Demokratieverständnis

Ein Abweichler würde reichen, dass Ramelow in den ersten beiden Wahlgängen nicht gewählt wäre. Die Thüringer Verfassung verlangt dafür die Mehrheit der Mitglieder des Landtags – mindestens 46. Umstritten ist, was in einem dritten Wahlgang passiert. Gewählt sei, heißt es in der Verfassung, wer „die meisten Stimmen erhält“. Der Verfassungsrechtler Martin Morlok hat das in einem Gutachten im Auftrag von Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) so ausgelegt, dass es nur auf die Ja-Stimmen ankommt. „Man kann mit einer Ja-Stimme gewählt sein. Das ist ein Extremfall, aber er macht die Regel klar“, sagt Morlok. Die Gegenstimmen sind demnach ohne Belang. Die CDU greift das Gutachten an. „Es ist ein abenteuerliches Demokratieverständnis, wenn ein Kandidat mit möglicherweise einer einzigen Stimme gegen 90 Nein-Stimmen gewählt sein sollte“, sagt Generalsekretär Mario Voigt.

Die CDU selbst hat derweil schlechte Chancen, mit einem Gegenkandidaten durchzukommen. Die amtierende Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat bisher darauf gehofft, bei einem Scheitern Ramelows geschäftsführend im Amt zu bleiben. Mit dem Morlok-Gutachten dürfte sich das erledigt haben.

Und auch die neu im Parlament vertretende "Alternative für Deutschland" wird kaum helfen. Die AfD hat deutlich gemacht, dass sie weder Ramelow noch die amtierende Regierungschefin Lieberknecht wählen wird. Fraktionschef Björn Höcke erklärt aber: „Wir würden, falls unsere inhaltlichen Vorstellungen berücksichtigt werden, einen geeigneten Kandidaten, hinter dem die CDU-Fraktion geschlossen steht, unterstützen.“ Der Name des CDU-Fraktionschefs Mike Mohring taucht in dieser Erklärung von Höcke nicht auf – aber er lässt sich leicht zwischen den Zeilen lesen.

Das ganze Morlok-Gutachten finden Sie hier zum Download

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