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Politik: Boliviens Präsident lenkt ein

Referendum vorgeschlagen – aber Opposition will Rücktritt

Montevideo. Die seit vier Wochen anhaltenden, blutigen Proteste haben Boliviens Präsident Gonzalo Sanchez de Lozada einlenken lassen: In der Nacht zum Donnerstag gab er zentralen Forderungen der linken Opposition nach. In einer Fernsehansprache versprach er, ein Referendum über das umstrittene Projekt zum Export von Gas abzuhalten, das die Proteste ausgelöst hatte. Außerdem werde er sich für eine Verfassungsänderung einsetzen, die eine verfassungsgebende Versammlung ermögliche, und wolle die privaten Erdölkonzerne höher besteuern. Sollte der Vorschlag von den Demonstranten nicht angenommen werden, wäre dies der Beweis dafür, dass ihr Ziel in Wirklichkeit das Ende der verfassungsmäßigen Ordnung sei, sagte der Präsident. Boliviens Demokratie sei durch „anarchistische, gewerkschaftliche und ins Drogengeschäft verwickelte Bewegungen“ in Gefahr wie nie zuvor.

Am Mittwoch kam es in weiten Teilen des Landes erneut zu Protesten. In Cochabamba versuchte eine aufgebrachte Menge, ein Regierungsgebäude anzuzünden. In der Stadt Patacamaya starben mindestens zwei Menschen bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten.

Die Oppositionsführer Evo Morales und Felipe Quispe lehnten den Vorschlag des Präsidenten umgehend ab und forderten erneut seinen Rücktritt. Das Angebot sei ein Witz und nicht ernst zu nehmen, sagte Quispe. Morales betonte, es sei durchaus im Rahmen der Verfassung, dass der Vizepräsident die Amtsgeschäfte übernehme. Gewerkschaftsführer Jaime Solares kündigte am Rande der Kundgebungen in der Regierungsmetropole La Paz eine Verschärfung der Proteste an und rief die Frauen auf, in einen Hungerstreik zu treten. Das Angebot der Regierung bezeichnete er als „Falle“. „Wer mit der Regierung spricht, wird aufgehängt“, rief er in die Menge. Sanchez de Lozada schloss einen Rücktritt kategorisch aus.

Sanda Weiss

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