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Politik: Bomben im Gepäck

Islamistische Gruppen schleusen ihre Attentäter immer öfter gezielt in westliche Länder, glauben Sicherheitsexperten

Von Frank Jansen

Die Bedrohung erscheint nicht länger „abstrakt“, sondern mit Händen greifbar. Sprachen die Sicherheitsbehörden bislang von einer hohen, aber nicht konkretisierbaren Gefahr islamistischer Terrorangriffe auf amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen in Deutschland, rückt der Ernstfall spätestens seit vergangener Woche immer näher. Bei der Razzia gegen sechs Islamisten aus dem Umfeld der Berliner Al-Nur-Moschee hat das Bundeskriminalamt in einer Wohnung in Gelsenkirchen Materialien entdeckt, die auf einen geplanten Anschlag gegen ein gesichertes Objekt hindeuten, zum Beispiel eine Botschaft. In den Räumen eines festgenommenen Tunesiers mit dem Decknamen „Hassan“ waren neben einschlägigen Handbüchern, Batteriesäure und anderen Utensilien auch Alarmsicherungen für Türen und Fenster deponiert. Experten bewerten den Fund als eindeutiges Indiz: „Mit Alarmsicherungen wird geübt, wie man in einem ausgesuchten Objekt Türen und Fenster überwindet.“

Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass der in Untersuchungshaft sitzende Tunesier von Al Qaida oder einer verbündeten Terrorgruppe nach Deutschland geschickt wurde, um hier einen Anschlag zu begehen. „Dieser Fall scheint ein Beispiel für die schon länger beobachtete Kämpferschleusung zu sein“, sagt ein Sicherheitsexperte. Dafür spreche, dass „Hassan“ mit einem gefälschten portugiesischen Pass eingereist sei. Es handele sich offenbar um einen Profi, der möglicherweise eine spezielle Ausbildung in einem Camp in Afghanistan durchlaufen hat samt Verhör-Training. Sicherheitsexperten deuten an, die Vernehmungen des Tunesiers verliefen bislang zäh. Doch es gibt noch einen weiteren Hinweis, der auf eine gewisse Professionalität im Untergrund schließen lässt: Der Tunesier hatte sich in Berlin bei einem Islamisten einquartiert, dessen Wohnung sich im Erdgeschoss befindet. Eine Flucht wäre sowohl über den Balkon wie über den Hofparkplatz möglich gewesen. Im Terror-Handbuch der Al Qaida, das die britische Polizei bei einem Islamisten in Manchester entdeckte, werden ausdrücklich Parterre-Wohnungen als Unterschlupf empfohlen.

Von eingeschleusten Gotteskriegern gehe eine erheblich größere Gefahr aus als von „Schläfern“, heißt es in den Sicherheitsbehörden. Mehrmals gab es Hinweise, dass militante Islamisten beispielsweise über Iran und die Türkei nach Deutschland geschleust werden sollten. Der Bundesgrenzschutz hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe einschlägig Verdächtiger registriert, die in die Bundesrepublik oder andere westeuropäische Länder gelangen wollten – und möglicherweise auch dort angekommen sind.

Außerdem verweisen Sicherheitsexperten auf einen „Modellfall“. Die vier Algerier, die im Dezember 2000 eine Bombe auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt zünden wollten, wurden von einer Londoner Terrorzelle finanziert und mit falschen Papieren nach Deutschland geschickt. Von Frankfurt aus bereiteten sie den Anschlag vor – den das Bundeskriminalamt knapp verhindern konnte.

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