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Politik: Bonus für Egos

Privatkassen warnen vor Vorteils-Hopping durch vereinfachten Zugang zu Versicherungsschutz

Berlin - Die privaten Krankenversicherer müssen künftig auch Personen besonders günstig versichern, denen sie zuvor wegen verschwiegener Vorerkrankungen, Versicherungsbetruges oder fehlender Beitragszahlungen gekündigt haben. Bei dem geplanten Basistarif, den die PKV laut Gesundheitskompromiss künftig anbieten muss, dürfe diese Klientel nicht mehr abgelehnt werden, sagte der Sprecher des Privatversicherers DKV, Frank Neuhaus, dem Tagesspiegel – und kritisierte die Regelung: Eine „derartige Belohnung individuellen Fehlverhaltens durch den Gesetzgeber, ist für die übrigen Versicherten nicht hinnehmbar“.

Das Problem betrifft nicht nur die Vergangenheit. Die vereinfachten Zugangsmöglichkeiten zum Versicherungsschutz könnten auch künftig leicht ausgenutzt werden, warnt Volker Leienbach, Direktor des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV). So könnten Nichtversicherte vor geplanten Operationen schnell noch einer Krankenversicherung beitreten, und sie nach ihrer Genesung ebenso schnell wieder verlassen – um weniger Beiträge zahlen zu müssen. Die Vereinbarung, wonach auch alle ehemals PKV-Versicherten und freiwillig gesetzlich Versicherten ohne Risikoprüfung in einen privaten Basistarif aufgenommen werden müssen, sei eine „Einladung zum Vorteils-Hopping und zu einer individuellen Optimierung, die kein Gesundheitssystem aushält“. Man müsse unterbinden, dass „jemand, um Geld zu sparen, ständig den Status wechselt zwischen versichert und nichtversichert“, sagte Leienbach. So könne man Nichtversicherten eine Frist setzen, bis zu der sie unter den neuen Bedingungen versichert sein müssen. Möglich seien auch „schlankere Tarife“ für Hopper oder „Wartezeiten für bestimmte planbare Leistungen“, wie bei Zusatzversicherungen üblich.

Eine andere Möglichkeit, Ego-Verhalten auszuschließen, hat die Union aus der Reform herausverhandelt: Wäre es nach der SPD gegangen, hätte künftig jeder und jede krankenversichert sein müssen. In der Konsequenz: Wer ohne Versicherungsschutz erwischt worden wäre, hätte Sanktionen fürchten müssen. Union und Privatkassen fühlten sich dabei jedoch zu sehr an die verworfene SPD-Idee der Bürgerversicherung erinnert. Man habe weder Bevormundung gewollt noch die daraus resultierenden Kontrollmechanismen, sagt PKV- Sprecher Stephan Caspary. Und man habe befürchtet, selber „ins Schnüffeln, Aufspüren und Sanktionieren eingebunden zu werden“.

Im Gesundheitsministerium hieß es, man sehe das Hopper-Problem nicht und müsse „keinen Popanz aufbauen“. Die Regelung sei gedacht, um Auslandsheimkehrer und Selbständige, von denen immer mehr ihren Versicherungsschutz durch finanzielle Notlagen verloren hätten, wieder abzusichern, so Sprecher Klaus Vater.

Der neue Basistarif soll so viele Leistungen absichern wie die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und dabei deren Höchstbeitrag (derzeit rund 500 Euro pro Monat) nicht überschreiten. Dagegen läuft die PKV Sturm. Sie muss nämlich aus den Beiträgen – anders als die GKV – auch noch Altersrückstellungen bilden. Zudem gibt es eine Härteklausel, wonach sich der Tarif auf die Hälfte reduziert, wenn „durch die Bezahlung der Prämie Hilfebedürftigkeit ausgelöst wird“. Reicht auch dies nicht, muss sich der Staat beteiligen – mit bis zu 125 Euro im Monat.

Letzteres gilt dann auch für alle Arbeitslosen, die vorher privat versichert waren. Auch sie müssen von Privatkassen nun ohne Risikoprüfung in den Basistarif aufgenommen werden, wie Ministeriumssprecher Vater bestätigte. „Die Arbeitslosen, die der PKV zuzuordnen sind, erhalten ein Rückkehrrecht“, sagte er. Dies sei von den Koalitionsspitzen so gewollt. Bisher waren Arbeitslose in der GKV pflichtversichert – ein Draufzahlgeschäft, denn der Bund schießt für jeden Arbeitslosen nur 125 Euro im Monat zu. Die Regelung für privat versicherte Arbeitslose werde der für gesetzlich Versicherte entsprechen, heißt es dazu im Ministerium. Was bedeutet, dass Arbeitslose auch bei Privatkassen wohl nur einen ermäßigten Beitrag von 250 Euro aufzubringen haben. Und dass die anderen PKV- Mitglieder das Problem der Arbeitslosigkeit künftig mitbezahlen müssen – wie es die gesetzlich Versicherten seit Jahr und Tag tun.

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