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Politik: Boom dank Brüssel

Der irische Weg zur Vollbeschäftigung

Dublin - Auf der Suche nach Arbeit zieht es die Menschen aus den neuen Mitgliedsstaaten westwärts – meist wollen sie nach Irland, wo dank über 20 Jahren Dauerboom nahezu Vollbeschäftigung herrscht. 3,7 Prozent Wirtschaftswachstum prophezeit die EU- Kommission dem Land fürs laufende Jahr – Platz zwei hinter Griechenland. Laut einer Statistik der Regierung in Dublin meldeten sich seit Mai fast 23000 Bürger aus den neuen EU-Staaten bei der irischen Sozialversicherung an. Allein aus Polen seien knapp 11000 Menschen auf die Insel gezogen.

Die EU-Neulinge schauen mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid auf Irland: Wie hat das einstige Armenhaus des Nordens das bloß geschafft? Der wirtschaftliche Erfolg der Insel kam nicht über Nacht. „Vom ersten Tag an“, erinnert sich Peter Doyle, der heute das Dubliner Büro der EU-Kommission führt, im Rückblick auf das Beitrittsjahr 1973, „standen die irischen Beamten und Politiker in Brüssel auf der Matte.“

In den ersten Jahren stand im Mittelpunkt die Förderung der Landwirtschaft, deren Strukturen sich dramatisch veränderten: Die Bauern verlagerten ihre Produktion stark auf Milch und Fleisch, wo die dicksten Prämien winkten. Während die Betriebe wuchsen, sank die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten.

Doch mit Hilfe des Regional- und Strukturfonds, später auch des Kohäsionsfonds, förderte Irland in diesen konjunkturell schwierigen Jahren die Qualität von Arbeitskräften und Infrastruktur. Kein Land erhielt mehr EU-Geld pro Kopf der Bevölkerung. Das Bildungssystem bekam eine kräftige Finanzspritze aus Brüssel, was sich – wenn auch mit Verzögerung – auszahlte: Zur Vorbereitung des europäischen Binnenmarktes 1992 suchten viele multinationale Firmen einen Standort in der EU. Irland mit seinen jungen, englischsprachigen und gut ausgebildeten Arbeitskräften erwies sich als ideal.

Auf 33 Milliarden Euro summieren sich die Transfers aus Brüssel, die in den vergangenen 30 Jahren nach Irland flossen. Die Iren verzichteten auf politische Kapriolen, um die großzügigen Partner nicht zu vergraulen, und erfüllten die Bedingungen der EU-Bürokratie buchstabengetreu. Die irische Verwaltung musste sich zudem wegen der Brüsseler Auflagen an langfristige Planung gewöhnen, die sich nicht nach dem Wahlzyklus richtet. Mancher Politiker vermutet, diese Disziplin sei für Irland wichtiger gewesen als der Geldwert der Transfers.

Martin Alioth

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