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Politik: Brände im Ural nähern sich Atomanlage

Werk in Majak bedroht – Behörden rufen Notstand aus / Hohe Schadstoffbelastung in Moskau

Moskau - Angesichts einer herannahenden Feuersbrunst haben die russischen Behörden in der Umgebung einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage im Ural den Notstand verhängt. Die Behörden der Stadt Osjorsk teilten in einer Erklärung mit, die Flammen näherten sich der Anlage von Majak, wo atomare Abfälle gelagert und wiederaufbereitet werden.

Das Gebiet um die Atomanlage gilt als eine der am stärksten mit radioaktiven Altlasten verstrahlten Gegenden der Welt. 1957 kam es in Majak zum Kyschtym-Unfall, einer Explosion, die einige Experten wegen der starken Verseuchung mit langlebigen radioaktiven Isotopen wie Strontium-90, Cäsium-137 und Plutonium-239 schlimmer als die Tschernobyl-Katastrophe einschätzen.

Der Chef der Verwaltung habe „wegen der Ausbreitung der Brände am 6. August den Notstand in den Wäldern und Parks der Stadt Osjorsk verhängt“, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Kommuniqué. Osjorsk und die Anlage Majak liegen im Bezirk Tscheljabinsk, rund 2000 Kilometer östlich von Moskau. Schwere Brände wüten seit Wochen in Russland und bedrohen die zahlreichen Atomanlagen des Landes. Am Sonntag hatte Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu die verstärkte Brandbekämpfung in der Nähe des Atomforschungszentrums Sneschinsk im Ural angeordnet. In der vergangenen Woche hatten die Brände das Atomwaffen-Forschungszentrum bei Sarow, etwa 500 Kilometer östlich von Moskau, bedroht.

Russische Spitzenpolitiker geraten wegen ihres zögerlichen Krisenmanagements immer stärker unter Druck. So hatte Sergej Zoj, der Pressesprecher von Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow, noch vor wenigen Tagen verlauten lassen, Waldbrände und die seit Wochen anhaltende Hitzewelle seien nicht von der Stadtregierung gemacht und daher nicht deren Problem. Mittlerweile brach Luschkow, dessen Frau als eine der reichsten Unternehmerinnen Russlands gilt, zwar seinen – wegen einer angeblichen Sportverletzung angetretenen – Urlaub ab. Er blieb jedoch auch am Montag unsichtbar. Kritiker werfen den Spitzenpolitikern vor, in alter Kreml-Manier die tatsächliche Lage zu verschleiern, wie es einst nach dem Atomunfall von Tschernobyl und nach dem Untergang des Atom-U-Boots „Kursk“ geschehen sei. Vergangene Woche dementierte das Verteidigungsministerium Berichte, dass zwei Militäranlagen durch die Feuer beschädigt worden seien. Später stellten sich die Berichte aber als wahr heraus.

Infolge der dramatischen Hitzewelle und der Dürre stehen derzeit etwa 1740 Quadratkilometer Wald und Busch in Flammen und schicken dicke Wolken über die Hauptstadt. Südwestwind, der Entlastung bringt, wird frühestens zur Wochenmitte erwartet, Regen in zwei Wochen. Aus Sicht unabhängiger Experten ist die Schadstoffbelastung in Moskau derzeit sechsmal, laut offizieller Darstellung dreimal höher als die Norm. Im Juli, so war am Montag aus offiziellen Quellen zu hören, sei die Sterblichkeit in Moskau auf das Doppelte der im Sommer üblichen Rate gestiegen. Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa verlangte eine Erklärung. Ärzte hatten berichtet, ihnen sei bei Androhung der Kündigung untersagt worden, die Hitze und die Brände als Krankheitsursache zu nennen.

Die deutsche Botschaft empfahl den Angehörigen ihrer Mitarbeiter, das Land zu verlassen. Auch den Angestellten selbst solle eine Ausreise ermöglicht werden, falls sie es wünschten. Die Botschaft werde aber nicht geschlossen, sagte ein Sprecher. Anlass zur Panik besteht aus Sicht der Stadtoberen nicht. Daher wurden bisher auch nur sieben der 40 Kinderferienlager im Moskauer Umland evakuiert. Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu hofft, wenigstens die Torfbrände in sieben Tagen löschen zu können. Für die Waldbrände gilt das nicht. Zwar haben viele Länder Hilfe angeboten. Doch deutsche Löschfahrzeuge sind in den oft wild gewachsenen Wäldern nur bedingt einsetzbar. Und italienische Löschflugzeuge können nicht zum Wassertanken auf der Wiese neben dem Dorfteich landen.mit AFP/rtr

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