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Brasilien: Dilma Rousseff - die Panzerknackerin

Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens wird eine Frau Präsidentin. Im Januar wird Dilma Rousseff die Nachfolge ihres politischen Ziehvaters Luiz Inácio „Lula“ da Silva antreten.

Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens wird eine Frau Präsidentin. Im Januar wird Dilma Rousseff die Nachfolge ihres politischen Ziehvaters Luiz Inácio „Lula“ da Silva antreten. Die Fußstapfen, in die die Tochter eines bulgarischen Unternehmers und Intellektuellen treten wird, sind groß. Doch „Dilma“, wie die 62-Jährige genannt wird, will erst gar nicht „Lulas“ Charisma nacheifern. Sie ist eine Technokratin, die sein Erbe verwalten möchte. Zwar trat sie erst 2003 der Arbeiterpartei (PT) Lulas bei, doch sie hat eine linke Vergangenheit. In ihrer Jugend war die Wirtschaftsstudentin aus Belo Horizonte Trotzkistin. Ihr größter Coup während der Militärdiktatur (1964–1985) war die Planung eines Einbruchs ins Haus eines notorisch korrupten Politikers, wo die Guerilleros den Safe knackten und ihre Kassen füllten. Danach saß sie drei Jahre lang im Gefängnis, wo sie mit Elektroschocks gefoltert wurde.

Nach der Diktatur begleitete sie ihren ebenfalls politisch engagierten Mann in dessen Heimat, den Bundesstaat Rio Grande do Sul. Dort zog sie die gemeinsame Tochter Paula auf und machte politische Karriere. Dabei wandelte sie sich von der linken Revolutionärin zur gemäßigten Sozialdemokratin – ganz wie Lulas Arbeiterpartei. Rousseff war unter anderem Stadtkämmerin in Porto Alegre und Präsidentin des Statistikamtes.

Nach seinem Wahlsieg 2002 holte Lula die inzwischen geschiedene „eiserne Lady“ als Ministerin für Bergbau und Energie ins Kabinett. Dort verfocht sie neue Megainvestitionen im Energiesektor – darunter die Staudämme im Amazonas – und lieferte sich legendäre Streitereien mit Umweltministerin Marina Silva. Ihre männlichen Kollegen spotteten gern über die langen, mit Zahlen und Grafiken gespickten Vorträge der Ministerin und krönten sie zur „Power-Point-Königin“. 2005 stürzte das halbe Kabinett über schwarze Kassen bei der Wahlkampffinanzierung, und Lula ernannte Rousseff zur Kabinettschefin und Krisenmanagerin. „Mit ihr wurde es dort ernst“, erinnert sich ein Kollege. Effizienz legte Rousseff an den Tag, doch wenig politisches Fingerspitzengefühl. Mehrmals musste Lula beschwichtigen, wenn sie mit Kollegen oder Petrobras-Chef José Sergio Gabrielli in in Konflikt kam.

„Die Verlegenheitslösung“, spotteten die Medien, als vor zwei Jahren klar wurde, dass Lula sie auserkoren hatte. Schließlich hatte Rousseff noch nie einen Wahlkampf bestritten. Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso sah durch die Ernennung per Fingerzeig Brasiliens Demokratie in Gefahr. Und auch die linke Parteibasis der PT muckte auf gegen die als „neoliberal“ und „unternehmerfreundlich“ geltende Technokratin. „Dilma ist ein Produkt aus der Wundertüte Lulas, ohne Konsultation der PT“, meckerte Justizminister Tarso Genro. Doch Lula lobte sie, wann immer er konnte, und machte sie zur Chefbeauftragten für das „Programm zur Wachstumsförderung“ – fortan durfte sie landauf, landab Infrastrukturprojekte einweihen. Überraschungen sind von Rousseff kaum zu erwarten. Sowohl die pragmatische Wirtschaftspolitik als auch die unorthodoxe Außenpolitik mit dem Ziel, Brasilien zur Weltmacht zu machen, will Rousseff fortsetzen.

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