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Dass nun der populäre Ex-Präsident Lula da Silva ins Visier der Ermittler im größten brasilianischen Korruptionsskandal gerät, kommt seiner Nachfolgerin Dilma Roussef ziemlich ungelegen. Die Wirtschaft stottert und wegen der Hitze sind die Wasserreservoirs für die Stromerzeugung fast leer. Demnächst könnten Stromrationierungen nötig werden. Die Präsidentin sieht schweren Zeiten entgegen.

© AFP

Brasilien: Gerät Lula in den Korruptionssumpf?

Bisher galt Lula als unantastbar, sogar über eine erneute Präsidentschaftskandidatur wird spekuliert. Doch jetzt könnten gegen den brasilianischen Ex-Präsidenten Untersuchungen eingeleitet werden. Wusste er vom Stimmenkauf seiner Partei im Parlament?

Die Nachricht hat es in sich: Die brasilianische Qualitätszeitung „O Estado de S. Paulo“ meldete, dass gegen Lula da Silva im sogenannten Mensalão-Prozess ermittelt werde. Generalstaatsanwalt Roberto Gurgel hätte eine Untersuchung der Rolle des heutigen 67-jährigen Ex-Präsidenten beim Kauf von Abgeordnetenstimmen angeordnet. Später stellte Gurgel klar, dass er sich noch im Entscheidungsprozess befinde, aber den Fall „wahrscheinlich“ an eine erste Instanz überweisen werde.

Die Verwirrung hat auch damit zu tun, dass in Brasilien Ferien sind und das öffentliche Leben bei mehr als 35 Grad lahmliegt. Doch allein die Möglichkeit, dass Lula in die Ermittlungen hineingezogen werden könnte, löste schon ein politisches Beben aus. Die von ihm mitgegründete Arbeiterpartei (PT) gab vorsorglich bekannt, die Feiern zu ihrem 33-jährigen Bestehen im Februar zu einem „Akt der Freisprechung“ Lulas zu machen. Dagegen hält die Sozialdemokratische Partei (PSDB) Ermittlungen für „unerlässlich“.

Bisher schien der angesehene und beliebte Lula immun gegen Nachforschungen im größten Korruptionsskandal Brasiliens zu sein. Und das obwohl um ihn herum reihenweise Köpfe rollten. Vergangenen November wurden mehrere Führungsfiguren aus Lulas Arbeiterpartei (PT) nach einem Mammutprozess mit 37 Angeklagten zu langen Haftstrafen verurteilt. Darunter war sein Kanzleramtsminister José Dirceu, den die Richter fast elf Jahre hinter Gitter schickten. Es wurde zwar vermutet, dass Lula von den Schmiergeldzahlungen wusste, doch es fanden sich im Laufe des siebenjährigen Prozesses nie Beweise.

Dass Lula jetzt doch mit Ermittlungen rechnen muss, hat er dem Werbeunternehmer Marcos Valério zu verdanken. Über dessen Firma flossen die Zahlungen an Abgeordnete, mit deren Stimmen sich Lulas Partei Mehrheiten im Parlament erkaufte. Im Prozess erhielt Valério eine Gefängnisstrafe von 40 Jahren. Er behauptet jetzt, dass Lula den Stimmenkauf nicht nur gedeckt, sondern sogar selbst Geld eingesteckt habe. Lula weist die Beschuldigung zurück und sagt über Valério, den er gar nicht kenne: „Lügen verdienen keine Antwort.“ Für Lula spricht, dass Valério als windig gilt und auf eine Straferleichterung aus ist. Gegen Lula steht die Überweisung von Geld auf das Konto seines engsten Beraters im Jahr 2003.

Bei dem Skandal geht es um Lulas erste Amtszeit zwischen 2003 und 2007. Seine Arbeiterpartei besaß im Parlament keine Mehrheit, daher war sie auf die Stimmen anderer Parteien angewiesen. Aus dieser Not heraus entwickelte sie ein System des Abgeordnetenkaufs. Für die Verabschiedung einer Steuerreform etwa zahlte die PT umgerechnet 450 000 Euro. Der Skandal, der 2005 aufflog, wurde als „Mensalão“ bekannt, der Begriff bedeutet so viel wie: fettes Monatsgehalt. Die Schmiergelder stammten teilweise aus Staatsbetrieben.

Dass Lula nun mit Ermittlungen rechnen muss, erinnert an den Fall Helmut Kohls in der CDU-Spendenaffäre. Ein respektierter Ex-Regierungschef kommt um sein Ansehen. Der sozialdemokratisch ausgerichtete Lula wird zwar von den konservativen Eliten sowie linken Gruppen mit Feindseligkeit betrachtet; aber unter den Ärmeren gilt er als der Vater des neuen Brasilien. In seiner Regierungszeit zwischen 2003 und 2011 schafften Millionen Menschen den Aufstieg in die Mittelschicht. Eine Mehrheit der Brasilianer gehört heute zur „classe C“ mit einem Einkommen von durchschnittlich umgerechnet 570 Euro im Monat. Bei Lulas Amtsantritt fanden sich die meisten Brasilianer noch in den Klassen D und E wieder.

Würde Lula nun in den Korruptionssumpf hinabgezogen, käme das seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff extrem ungelegen. Die brasilianische Wirtschaft stottert. Sie wuchs 2012 um weniger als 1,5 Prozent, die niedrigste Rate der vergangenen zehn Jahre. Nach einer Dekade PT-Regierung wittert die Opposition Morgenluft. Nun wird spekuliert, ob Lula nicht 2014 erneut als Präsidentschaftskandidat antreten sollte. Dem Skandal zum Trotz.

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