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Brasilien: Polit-Skandal überschattet Präsidentschaftswahl

Die Polit-Affäre, die Brasilien derzeit erschüttert, erinnert an den Watergate-Skandal in den USA. Die Affäre bringt den Amtsinhaber und Favoriten für die Präsidentschaftswahl Luiz Inácio Lula in Bedrängnis - beim Volk bleibt Lulas Popularität ungebrochen.

Rio de Janeiro - In Brasilien wollte das Präsidenten-Lager mit kriminellen Machenschaften die Opposition in den Schmutz ziehen. Erste Köpfe sind gerollt. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der jede Verbindung zu den Vorgängen abstreitet, gerät unter Druck. Doch bei der Präsidentenwahl am Sonntag dürfte der Staatschef kaum in Gefahr kommen. Zu groß ist der Vorsprung des linksgerichteten Amtsinhabers, der im vergangenen Jahr schon eine Korruptionsaffäre überstanden hatte. Vor allem die Millionen in Elend lebenden Brasilianer kümmern sich wenig um Polit-Skandale. Sie wollen Lula für seine unbestrittenen Erfolge im Kampf gegen die Armut wiederwählen.

Familienprogramm hilft 40 Millionen Brasilianern

Der Ex-Gewerkschafter Lula hatte 2002 die Wahl als Kämpfer für die Armen gewonnen. Auch wenn er nicht alle Versprechen einlöste, ist seine Bilanz doch nach Meinung vieler Ökonomen positiv: Die Armen des südamerikanischen Landes verdienen laut Statistikamt heute 8,7 Prozent mehr als vor vier Jahren, insgesamt stiegen die Einkommen nur halb so schnell. Heute leben 20 Prozent weniger Brasilianer unter der Armutsgrenze als 2002, nämlich 22,7 Prozent. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in dem Land immer noch größer als in den meisten anderen Ländern der Welt. Aber vor allem ein Familien-Hilfsprogramm, von dem rund 40 Millionen Brasilianer profitieren, erwies sich als Erfolg.

Die Ärmsten können damit umgerechnet bis zu 34 Euro pro Monat vom Staat erhalten. Viele Familien in den Armenvierteln rettet die Beihilfe vor dem Hunger. Die Staatskasse kostet das Programm mit rund drei Milliarden Euro relativ wenig. Keiner der Kandidaten für die Wahl am Sonntag traut sich derzeit, das Programm in Frage zu stellen. Auch der sozialdemokratische Herausforderer von Lula, Geraldo Alckmin, scheint machtlos gegen die Beliebtheit Lulas bei der einfachen Bevölkerung. Der als hartnäckig, aber wenig charismatisch bekannte Ex-Gouverneur des Bundesstaats São Paulo ist jedoch der einzige Kandidat, der Lula den Sieg im ersten Wahlgang streitig machen könnte. Alle anderen Bewerber liegen abgeschlagen im einstelligen Prozentbereich.

Brisante Ermittlungen der Justiz

Und so sah Lula in diesem Jahr über Monate wie der haushohe Sieger aus. Doch dann griff die Polizei am 15. September zwei der Regierungspartei PT nahe stehende Männer auf, bei denen umgerechnet 630.000 Euro gefunden wurden. Die beiden Verdächtigen räumten ein, dass sie damit Fotos und ein Videoband kaufen sollten, mit deren Hilfe Alckmin der Verbindung zu "mafiösen Strukturen" überführt werden sollte. Die Wahlkommmission nahm Ermittlungen auf. Lula droht nun im schlimmsten Fall die Annullierung der Kandidatur, bei einer Wiederwahl die Amtsenthebung. Lula entließ bereits einen seiner engsten Mitarbeiter. Wie aber das brasilianische Watergate enden wird, ist bisher noch völlig unklar.

Die Ermittlungen der Justiz jedenfalls dürften für Lula aber wohl brisanter werden als die Wahl. Wenige Tage vor dem Urnengang hatten einer Umfrage zufolge nur etwa 60 Prozent überhaupt von dem Polit-Skandal Notiz genommen. Von diesem wiederum wollen nur fünf Prozent dem Präsidenten ihre Stimme verweigern. So liegt der Amtsinhaber weiter bei knapp 60 Prozent der Stimmen, Widersacher Alckmin kommt auf 32 Prozent. Lula dürfte sich im ersten Wahlgang den Verbleib im Amt sichern. Ricardo Guedes, Chef des Meinungsforschungsinstituts Sensus, brachte es nach einer jüngsten Umfragen auf den Punkt. Lula sei schlichtweg durch das Volk gegen die Auswirkungen aller Skandale "gepanzert". (von Jean-Claude Boksenbaum/AFP)

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